Stuttgart kann die Lieferverpflichtungen von mindestens 110 000 Tonnen Abfall gegenüber der EnBW nicht mehr erfüllen. Das ist teuer. Schuld daran ist unter anderem die Müll-Trennleidenschaft der Stuttgarter und die freiwillige Nutzung der Biotonne.

Stuttgart - Bringe oder bezahle – das ist das merkwürdig anmutende Motto im Vertrag über die Anlieferung von Restmüll zwischen der Stadt Stuttgart und der Energie Baden-Württemberg (EnBW). Das bedeutet, dass die Kommune mindestens 110 000 Tonnen Abfall (gemeinsam mit dem Rems-Murr-Kreis und dem Kreis Esslingen sind es exakt 225 000 Tonnen) in die Verbrennungsanlage nach Münster fahren und für die Abnahme 141,21 Euro pro Tonne bezahlen muss. Ist sie dazu nicht in der Lage, etwa weil die Stuttgarter zu fleißig ihren Müll trennen, muss sie für jede nicht gelieferte Tonne bis zur vereinbarten Untergrenze denselben Preis an die EnBW bezahlen. Als der Vertrag 2004 geschlossen wurde, habe niemand daran gedacht, dass dieser absurde Fall eintreten könnte, sagt Thomas Heß, der Geschäftsführer des städtischen Abfallwirtschaftsbetriebs. Die damals vorhandenen Abfallmengen hätten weit über 110 000 Tonnen gelegen. 2011 war es aber so weit. Vor allem der Rückgang des vom Gewerbe gelieferten Restmülls, das ihre Mengen in 40-Kubikmeter-Containern günstiger auf privatem Wege entsorgt, aber auch die Trennleidenschaft der Stuttgarter und die freiwillige Nutzung der Biotonne seien dafür verantwortlich.

 

Der Betriebsausschuss Abfallwirtschaft hat nun mit seiner Zustimmung zu Verträgen mit den Nachbarkreisen dafür gesorgt, dass diese besondere Art der Gebührenvernichtung nicht vollumfänglich geschieht. Beide Landkreise haben über ihre Mengen von 65 000 und 50 000 Tonnen pro Jahr hinaus einen weiteren Entsorgungsbedarf. Jeweils 5000 Tonnen dürfen sie zum günstigeren Preis von 95,20 Euro bei der EnBW abliefern. Diese Müllmehrmengen werden nun auf das Kontingent der Stadt übertragen. Die positiven finanziellen Auswirkungen beschreibt Bürgermeister Dirk Thürnau wie folgt: „Die Kosten für eine nicht gelieferte Garantiemenge von 6000 bis 7000 Tonnen pro Jahr betragen rund 850 000 bis 990 000 Euro und Jahr. Die Übernahme von Abfällen von den Partnern zu einem Preis von 95,20 Euro führt bei den genannten Mengen zu Einnahmen von 570 000 bis 670 000 Euro. Die von der Stadt zu tragenden Kosten aufgrund der nicht gelieferten Garantiemenge vermindern sich somit auf rund 280 000 bis 320 000 Euro.“

Bürgermeister Thürnau sieht Licht am Ende des Tunnels

Die Landeshauptstadt ist mit ihrem Wunsch nach einer Änderung des für sie ungünstigen Vertrags beim Energieunternehmen nicht durchgedrungen. Die EnBW begründet ihre ablehnende Haltung damit, dass die drei Partner als Einheit zu sehen seien und diese ja die Gesamtmindestmenge von 225 000 Jahrestonnen lieferten. Laut Bürgermeister Thürnau ist aber Licht am Ende des Tunnels – und zwar durch die flächendeckende Einführung der Biotonne auf Grundlage eines Bundesgesetzes. Die Stadt geht davon aus, dass statt heute auf freiwilliger Basis 25 Prozent künftig 45 Prozent der Bürger die Biotonne benutzen würden. In diesem Fall würde sich der Restmüllbestand noch einmal um 15 000 Tonnen pro Jahr reduzieren.

Ein so krasser Unterschied zwischen lieferbarer und vereinbarter Müllmenge könne dazu führen, dass der Vertrag angepasst werden muss. Eine höchstrichterliche Entscheidung mache Mut, so Thürnau. Im Ausschuss ist die Haltung der EnBW kritisiert worden. Sie sei verantwortlich dafür, dass die Müllgebühren nicht gesenkt werden könnten. Die Stadt hat zu allem Überfluss noch einen weiteren Müllmeiler zu bedienen: Sie ist Mitglied im Zweckverband Restmüllheizkraftwerk Böblingen. 25 000 Tonnen müssen jährlich geliefert werden. Mittelfristig wird über einen Ausstieg nachgedacht, doch dafür müsste eine andere Gebietskörperschaft die städtischen Anteile übernehmen.