Die Abgasversuche mit Affen führen zu ersten personellen Konsequenzen: VW-Cheflobbyist Thomas Steg ist beurlaubt worden. Für Christian Strenger, einen renommierten Experten für eine saubere Unternehmensführung und -kontrolle, kann dies jedoch nur ein erster Schritt sein. Strenger sieht Vorstand und Aufsichtsrat in der Verantwortung.

Stuttgart - VW hat nach Bekanntwerden von Abgastests an Affen und Menschen personelle Konsequenzen gezogen: Der Cheflobbyist Thomas Steg, zuständig für Außen- und Regierungsbeziehung, wurde bis zur vollständigen Aufklärung der Vorgänge von seinen Aufgaben entbunden, wie der Autohersteller nach einer Sitzung des Vorstands mitteilte. „Herr Steg hat erklärt, die volle Verantwortung zu übernehmen. Dies respektiere ich“, teilte VW-Chef Matthias Müller mit. Steg hatte zuvor in einem „Bild“-Interview eingeräumt, dass er von dem Abgasversuch mit Affen vorab gewusst, das Experiment aber nicht gestoppt habe, worüber er sich heute fürchterlich ärgere.

 

Für Christian Strenger, den renommierten Experten für eine saubere Unternehmensführung, kann dies jedoch nur ein erster Schritt sein. „Dass Herr Steg als ehemaliger Sprecher der Bundesregierung und Korrektor der Ansprachen von Ministerpräsident Weil nun beurlaubt wird, zeigt, wie überfällig ein großes Reinemachen in den oberen Konzernetagen ist“, sagte Strenger unserer Zeitung. Dies sollte nach seiner Meinung aber nicht auf der Hierarchiestufe eines Generalbevollmächtigten wie Steg halt machen. „Ich halte es menschlich für schlicht mies, dass VW die Verantwortung erneut nach unten durchreicht und auch hier nur kleine Leute schuld sein sollen. Es deutet alles darauf hin, dass es erneut ein massives Kontrolldefizit bei VW gab“ , so der Experte.

Kritik an Aufsichtsrat und Vorstand

Christian Strenger war früher Chef der Fondsgesellschaft DWS und viele Jahre Mitglied einer Regierungskommission für Corporate Governance, die Grundsätze für eine gute Unternehmensführung und -kontrolle erarbeitet hat. „Aufsichtsrat und Vorstand haben ein Compliance-System einzurichten, das solche Fehlentwicklungen rechtzeitig aufdeckt oder von vornherein verhindert. Das hat bei VW wohl immer noch nicht stattgefunden“, kritisiert der 74-Jährige.

Auch BMW und Daimler können sich seiner Meinung nach nicht damit herausreden, dass sie von den Studien nichts gewusst haben. „Allein die Mitgliedschaft in der EUGT genügt für die Mitverantwortung dieser Fehlentwicklungen,“ urteilt Strenger. Die Forschungsgemeinschaft EUGT war für die Vergabe der Tests zuständig, mit denen nach eigenen Angaben untersucht werden sollte, wie Dieselabgase eines älteren und eines neueren Automodells kurzfristig auf die Lunge und das Herz-Kreislaufsystem wirken.

Wusste der Vorstand wirklich nichts von den Experimenten?

VW spielte eine Schlüsselrolle bei den Versuchen in einem Testlabor im US-Bundesstaat New Mexico, bei denen Affen die Abgase eines VW Beetle und eines älteren Pick-ups von Ford einatmen mussten. Strenger hat Zweifel, ob der Vorstand wirklich nichts davon wusste. „Der Vorstand hätte die Vergabe teurer und sensibler Forschungsaufträge genehmigen oder zumindest davon wissen müssen“, sagt Strenger. Kritisch sieht er auch, dass VW erst 2017 einen Schlussstrich zog. „Nach dem zu spät aufgedeckten Dieselgate-Skandal hätte man spätestens 2015 reinen Tisch machen müssen. Dass man dann noch zwei Jahre gebraucht hat, um den Vorsitz in der Forschungsvereinigung EUGT zu beenden, ist traurig und inakzeptabel“, urteilt Strenger.