Erst vor wenigen Tagen durchsuchten Ermittler die Privatwohnung von Audi-Chef Stadler in Ingolstadt. Der Verdacht: Betrug im Zusammenhang mit der Diesel-Affäre. Jetzt kommt der Manager in U-Haft.

Wolfsburg - Mit Audi-Chef Rupert Stadler ist zum ersten Mal in der Dieselaffäre ein Unternehmenslenker verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft München wirft ihm Betrug vor und erwirkte am Montag einen Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr. In Wolfsburg trat am Mittag das Präsidium des VW-Aufsichtsrats zusammen, um über die neue Lage und die Konsequenzen zu beraten. Am Nachmittag sollte der Aufsichtsrat tagen.

 

Stadler ist seit elf Jahren Audi-Vorstandschef. Kurz nach Aufdeckung manipulierter Abgaswerte bei VW-Vierzylinder-Motoren im Herbst 2015 in den USA hatte er Manipulationen auch bei Sechszylinder-Dieselmotoren von Audi zugeben müssen. Eine persönliche Mitwisserschaft oder gar Beteiligung hat er jedoch bis heute bestritten. Die VW-Eigentümerfamilien Porsche und Piech hatten Stadler bislang den Rücken gestärkt.

„Es gilt die Unschuldsvermutung“

Vor einer Woche hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen ihn und ein namentlich nicht genanntes Vorstandsmitglied von Audi eingeleitet hat. Sie legt ihnen Betrug und Falschbeurkundung zur Last. Die beiden hätten Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung in Europa wissentlich in den Verkehr gebracht. Stadler soll nach der Aufdeckung der Manipulationen in den USA von den falschen Abgaswerten auch in Europa gewusst haben, aber anders als in den USA keinen Vertriebsstopp angeordnet haben. Die Ermittler stützten sich auf die Auswertung von Korrespondenz, verlautete aus Ermittlerkreisen.

Im März 2017 und im Februar 2018 hatte es in der Audi-Zentrale in Ingolstadt und im Werk Neckarsulm Razzien gegeben. Zur Sicherung von Beweismaterial hatten die Ermittler vor einer Woche auch die Privatwohnungen von Stadler und dem Vorstandsmitglied durchsucht.

Als Audi-Chef gehört Stadler auch dem VW-Konzernvorstand an. Ein VW-Sprecher wollte sich „vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen“ inhaltlich nicht äußern. „Für Herrn Stadler gilt weiterhin die Unschuldsvermutung“, sagte er. Eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums sagte am Montag, sie habe die Medienberichte wahrgenommen und darüber hinaus keine weiteren Informationen. „Zu staatsanwaltschaftlichen Vorgängen äußern wir uns generell nicht.“

220 000 Dieselautos mit Schummelsoftware verkauft?

Gegen Stadler waren in der Vergangenheit schon mehrfach Rücktrittsforderungen laut geworden, auch Namen möglicher Nachfolger waren schon im Gespräch.

Audi soll in den USA und Europa von 2009 an rund 220 000 Dieselautos mit Schummelsoftware verkauft haben. Seit Ende 2015 hatten zwei Audi-Entwicklungsvorstände und vier weiter Audi-Vorstände ihren Hut nehmen müssen. Wegen der Abgastricksereien hatte Audi bereits 2,25 Milliarden Euro zurückstellen müssen.

Ein ehemaliger Porsche-Entwicklungsvorstand sitzt seit September 2017 in München in Untersuchungshaft. Einer seiner früheren Mitarbeiter bei Audi in Neckarsulm war nach mehreren Monaten Untersuchungshaft im November 2017 wieder freigekommen.