Abgas-Skandal VW wehrt sich gegen Schuldzuweisungen

Wer wusste wann was bei VW von „Dieselgate“ - und wann hätte der Konzern über den Skandal informieren müssen? Diese Fragen sorgen für erbitterten Streit. Unterdessen fordert VW-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche eine neue Gesprächskultur in den Führungsgremien.
Wolfsburg/Genf - Im Abgas-Skandal wehrt sich Volkswagen gegen Schuldzuweisungen an die Konzernspitze um den früheren Chef Martin Winterkorn. Es gebe bislang keine Hinweise auf eine Mitschuld des Vorstands, argumentieren Anwälte des Autobauers in einer Erwiderung auf Anlegerklagen, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Aufsichtsrat Wolfgang Porsche blickt nach vorn. Er sprach sich für eine neue Gesprächskultur in den Führungsgremien des Konzerns aus und will bei VW nach „Dieselgate“ auch schwierige Themen offen ansprechen. Ähnlich äußerte sich Betriebsratschef Bernd Osterloh.
„Wenn wir zum Beispiel feststellen, dass wir in einzelnen Bereichen bei Volkswagen einen Personalüberhang haben, muss man frühzeitig über konstruktive Lösungen nachdenken können“, sagte Porsche der Deutschen Presse-Agentur. „Damit wird vermieden, dass man dann im Fall einer Krise von heute auf morgen Menschen entlassen muss.“
Porsche sprach sich für eine neue Gesprächskultur auch in den oberen Etagen aus: „Wir müssen mehr miteinander reden statt übereinander. Und das ist etwas, was wir im Konzern noch verbessern müssen.“
Der Abbau von Stellen ist möglich
Der 72-Jährige ist als Chefkontrolleur der VW-Mutter Porsche SE der einflussreichste Aufsichtsrat der Porsche/Piëch-Familie. Die Familien halten über die Porsche-Holding die Mehrheit der VW-Stimmrechte. VW selbst will versuchen, nach dem Gewinneinbruch im Zuge des Skandals einen Jobabbau in der Stammbelegschaft zu vermeiden. Der Abbau von Stellen ist aber dennoch möglich. Bislang bangen vor allem die Leiharbeiter um ihre Jobs.
Die Abgas-Affäre bei VW war Mitte September durch eine Mitteilung der US-Umweltbehörden öffentlich geworden. Volkswagen hatte daraufhin eingeräumt, in weltweit rund elf Millionen Dieselfahrzeugen eine Software eingebaut zu haben, mit der Emissionswerte manipuliert wurden. Dies hatte den Konzern in eine schwere Krise gestürzt. Es drohen Milliardenkosten - auch wegen Klagen.
Eine erste Pflichtmitteilung an die Börse, eine sogenannte Ad-hoc-Mitteilung, gab VW am 22. September heraus. Einen Tag später trat der langjährige VW-Konzernchef Martin Winterkorn zurück. Er übernehme die Verantwortung für die Unregelmäßigkeiten, sei sich aber keines Fehlverhaltes bewusst, erklärte Winterkorn damals.
Diverse Anleger klagen gegen den Konzern
Bei der Aufarbeitung des Skandals wird nun vor allem über zwei Fragen gestritten: Hätte Volkswagen die Öffentlichkeit früher informieren müssen? Und trifft die VW-Spitze eine Mitschuld am Skandal?
Diverse Anleger machen vor Gericht geltend, dass Volkswagen zu spät Auskunft über das Ausmaß der Affäre gegeben habe. Sie sehen sich wegen Verlusten an der Börse um viel Geld gebracht und klagen daher.
In seiner Erwiderung weist VW diese Vorwürfe zurück. Das Unternehmen argumentiert, es habe ein „überwiegendes Geheimhaltungsinteresse“ des Konzerns gegeben, bis die US-Umweltbehörde EPA am 18. September die Öffentlichkeit über die Manipulationen informiert habe. Der VW-Vorstand habe annehmen dürfen, dass mit den US-Behörden eine „konsensuale Lösung“ möglich sei, die für den Konzern nicht zu gewichtigen wirtschaftlichen Konsequenzen geführt hätte.
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