Die Kreuzfahrtbranche boomt. Allerdings geraten die Vergnügungsdampfer zunehmend in das Visier von Umweltschützern: Die giftigen Abgase des Schweröls, das sie verbrennen, belastet Mensch, Klima und Ökosysteme. Doch die ersten Schiffe werden nun mit einer Abgasreinigung ausgerüstet.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Funchal - Ein Piratenüberfall, Monsterwellen, ein Motorschaden auf hoher See – Dimitris Papatsatsis hat eine Menge Abenteuer überstanden. Seit fast drei Jahrzehnten ist der gebürtige Hamburger auf den Weltmeeren unterwegs, steuerte Containerschiffe, Tanker, und Kreuzfahrtschiffe. Auch sein aktueller Job ist kein Zuckerschlecken. Als Kapitän von Mein Schiff 3, dem neuen Flaggschiff der deutschen Tui-Flotte, trägt Papatsatsis die Verantwortung für einen fast 300 Meter langen Vergnügungsdampfer mit 2500 Passagieren und 1000 Mann Besatzung.

 

An diesem Dienstag herrscht Routine im Kommandostand auf Deck 10. Früh morgens ist der Ozeanriese auf seiner siebentägigen Rundfahrt in Madeiras Hauptstadt Funchal angekommen. Erst am nächsten Tag soll es wieder zurück zu den Kanarischen Inseln gehen. Entspannt steht Papatsatsis in weißer Uniform auf der Brücke und schaut mit seinen Gästen hinunter auf das Treiben im Hafen. Man hat den Eindruck, dass diesen stämmigen Mann so leicht nichts erschüttern kann. „Ein erfahrener Kapitän muss immer auf alles vorbereitet sein“, sagt er und lacht.

Giftiges Schweröl als billiger Treibstoff

Auch kritische Fragen zu einem der größten Problem der Branche bringen Papatsatsis kaum aus der Ruhe. Das Image der Traumschiffe ist nicht erst seit der tödlichen Havarie der Costa Concordia angekratzt. Seit Jahren kritisieren Umweltschützer die ökologischen Belastungen, die Kreuzfahrten verursachen, denn auf hoher See wird überwiegend hoch belastetes Schweröl als billiger Treibstoff genutzt, erkennbar am schwarzgelben Rauch aus den Kaminen. Schweröl entsteht in großen Mengen bei der Erzeugung von Benzin und Diesel in Raffinerien. An Land müsste der giftige Rückstand teuer entsorgt werden, weshalb die Ölindustrie die klebrige Pampe gerne an die Reeder abgibt.

Den Preis für den billigen Schiffsantrieb zahlen Menschen, Klima und Ökosysteme, denn bei der Verbrennung wird ein gefährlicher Mix giftiger Abgase freigesetzt: Schwefel- und Stickoxide, aber auch krebserregende Feinstaubpartikel wie Ruß und problematische Schwermetalle. Die Luxusliner seien in Wahrheit schwimmende Müllverbrennungsanlagen, kritisiert der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der sich mit seiner Kampagne „Mir stinkt’s!“ für eine saubere Kreuzschifffahrt einsetzt (siehe nebenstehendes Interview). Allerdings sind die weltweit 560 Kreuzfahrtschiffe nur für einen kleinen Bruchteil der Schiffsemissionen verantwortlich, die seit Jahrzehnten wegen laxer Vorschriften alarmierend steigen. Hauptverursacher sind die fast 50 000 Frachtschiffe, die Warencontainer so billig wie möglich rund um den Globus transportieren sollen.

20 Millionen Gäste pro Jahr

Trotzdem stehen die Urlaubsdampfer besonders im Fokus, denn auf den schwimmenden Vergnügungsparks verbringen jedes Jahr mehr als 20 Millionen Menschen ihre Freizeit, und das in ökologisch sensiblen Regionen wie der Ostsee, den norwegischen Fjorden oder der Arktis. Kritiker sehen die Anbieter daher in besonderer Verantwortung für den Umweltschutz – zumal bis 2020 noch rund drei Dutzend neue Schiffe in See stechen sollen und bis jetzt nur ein Bruchteil der Milliardeninvestitionen in bessere Umwelttechnik fließt.

Tui-Kapitän Papatsatsis kennt die Problematik und verweist auf die Anstrengungen der Reeder und Werften: „Der Bau umweltschonenderer Schiffe braucht Zeit und ist ein schwieriger technologischer Prozess. Unser Unternehmen ist dabei ein Vorbild, und darauf bin ich stolz.“ Seit Juni 2014 fährt Mein Schiff 3 als erster Dampfer weltweit mit einem Abgasreinigungssystem des finnischen Motorenherstellers Wärtsilä. Schädliche Schwefelemissionen werden laut Tui so um 99 Prozent, die für den sauren Regen verantwortlichen Stickoxide um bis zu 75 Prozent und Rußpartikel um 60 Prozent reduziert.

Abgasreinigung ist Meilenstein

„Die Anlage ist ein Meilenstein, kein im Betrieb befindliches Kreuzfahrtschiff ist bisher umweltfreundlicher“, betont Lucienne Damm, die Nachhaltigkeitsmanagerin von Tui Cruises in Hamburg. Die Umweltschützerin wechselte vor dreieinhalb Jahren vom Nabu zum größten Reisekonzern Europas, der bei seinen Schiffen ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit sein will. „Wir haben den Anspruch, die Auswirkungen von Kreuzfahrten auf die Umwelt auf ein Minimum zu reduzieren“, sagt Damm.

Auf hoher See, wo Grenzwerte und Umweltvorschriften viel laxer sind als an Land, ist dieser Anspruch keine Selbstverständlichkeit. Um Kosten zu sparen, tut kaum ein Reeder mehr, als er muss. Dabei gibt es mit dem teureren Marinediesel in vielen Häfen und Fahrgebieten eine umweltschonendere Alternative zum giftigen Schweröl. Doch Kreuzfahrten und Warentransporte würden sich damit verteuern. So wird Diesel nur dort eingesetzt, wo strengere Abgasvorschriften gelten wie etwa in der Ostsee und Häfen (siehe Infokasten).

Die Anlage wird ständig kontrolliert

In ökologischer Hinsicht gelten die deutschen Kreuzfahrtanbieter AIDA und Tui Cruises als führend, im Kreuzfahrtranking des Nabu liegen beide Anbieter vorne. Kritiker betrachten die Abgasreinigung an Bord aber nur als zweitbeste Lösung. Der Nabu fordert, Schweröl als Treibstoff generell zu verbieten und nur noch schwefelarmen Diesel und Flüssiggas (LNG) zu erlauben. Zudem sollten alle Küsten- und Hafengebiete in der Europäischen Union als Schutzzonen ausgewiesen werden, in denen strengere Abgasvorschriften gelten. Auch sei mehr Kontrolle nötig, ob Reeder und Schiffe die Vorgaben auch einhalten.

Am nächsten Tag heißt es im Hafen Funchal für Kapitän Papatsatsis wieder Leinen los in Richtung Kanaren. Rund 340 Tonnen Schweröl wird Mein Schiff 3 für die siebentägige Kanaren-Rundfahrt verbrennen. Anders als die meisten Konkurrenten bläst der moderne Dampfer die Abgase aber nicht ungefiltert in die Luft. Ein Umweltoffizier kontrolliert ständig, dass die Vorgaben eingehalten werden, von der Abgasnachbehandlung über die Abfallbeseitigung bis zur Abwasseraufbereitung. Anfang Juni soll in Kiel das baugleiche vierte Tui-Schiff zur Jungfernfahrt ablegen. Mindestens zwei weitere Dampfer sollen folgen.

Schiffsabgase und ihre Reinigung

Emissionen
Schiffsemissionen wie Schwefel- und Stickoxide sowie Feinpartikel wie Ruß sind gefährlich. Das dänische Center for Energy, Environment and Heath macht die Abgase allein in Europa für 50 000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Vor allem Häfen und Küstenregionen sind betroffen.

Schwefel
Im billigen Schweröl, das Schiffsmotoren verbrennen, ist ein Schwefelanteil von bis zu 3,5 Prozent erlaubt. Damit liegt der Grenzwert um das 3500fache höher als bei Diesel für Pkw oder Lkw. Dadurch entstehen große Mengen giftiges Schwefeloxid und Schwefeldioxid. Der teurere Schiffs- oder Marinediesel hat dagegen nur einen Schwefelanteil von 0,1 Prozent.

Vorschriften
Der Umweltschutz auf See wird durch internationale Vereinbarungen der Vereinten Nationen wie das Marpol-Abkommen reguliert. Seit 2012 ist darin eine Obergrenze von 3,5 Prozent Schwefelanteil vorgeschrieben. Ab 2020 sollen es noch 0,5 Prozent sein.

Grenzwerte
In küstennahen Regionen und Häfen gelten bereits strengere Grenzwerte, für Schwefel sind es 0,1 Prozent. In Europa gibt es mit der Ost- und Nordsee sowie dem Ärmelkanal aber erst drei solcher Schutzzonen. Hier dürfen Schiffe nur noch Marinediesel nutzen oder sie müssen eine Abgasreinigung haben.