Annette Groth, Bundestagsabgeordnete der Linken, ist Sprecherin des Ausschusses für Menschenrechte und war in Flüchtlingslagern im Libanon und Jordanien .

Sillenbuch – Mich hätte es gejuckt, auch mal nach Syrien zu fahren“, sagt Annette Groth. Die Sillenbucher Bundestagsabgeordnete der Linken hat Mitte April mit sieben weiteren Mitgliedern des Ausschusses für Menschenrechte Jordanien und den Libanon besucht. Einerseits, um sich ein Bild davon zu machen, wie es um die Situation der Christen und anderer religiöser Minderheiten im Nahen Osten steht. Andererseits, um die Gelegenheit zu nutzen, sich angesichts der angespannten politischen Lage in Syrien auch aus erster Hand darüber zu informieren, wie die Lage der geflüchteten Menschen in den Anrainerstaaten Syriens ist.

 

Lager sind „Hexenkessel“

Offiziell, so berichtet Groth, seien bis Mitte des vergangenen Monats rund 7500 Flüchtlinge aus Syrien in Jordanien registriert worden, etwa 1000 mehr seien es zur gleichen Zeit im Libanon gewesen. „Das sind die offiziellen Zahlen“, sagt Groth, wohl wissend, dass weitaus mehr Syrer die Grenzen überschritten haben, bei Freunden oder Verwandten Unterschlupf gefunden haben und nicht registriert sind. Dass die syrischen Flüchtlinge nicht in Lagern untergebracht sind, findet die in Sillenbuch lebende Politikerin gut. Bewusst habe man bisher darauf verzichtet, die Flüchtlinge an einzelnen Orten konzentriert zusammenzuführen. Schließlich wisse man nur zu genau, „dass sämtliche Lager Hexenkessel sind und jederzeit explodieren können“. Diese Einschätzung Groths beruht nicht nur auf ihren eigenen Erfahrungen, die sie beim Besuch von palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon und im Gespräch mit Betroffenen gesammelt hat. Sie basiert vor allem auf den Erkenntnissen der im Libanon und in Jordanien tätigen Experten, mit denen sich die Delegation getroffen und intensiv ausgetauscht hat.

Mit Personenschutz des BKA

Mit Bussen oder in kleineren Fahrzeugkolonnen ist die Gruppe, begleitet von vier Personenschützern des BKA, durch Jordanien und den Libanon gereist. Unsicher gefühlt hat sich Annette Groth dabei zu keiner Zeit. „Ich würde dort jederzeit wieder hinfahren, auch ohne Personenschützer“, sagt Groth, die von der Offenheit der dort lebenden Menschen beeindruckt ist.

Bei einer neuen Reise würde sie gerne auch das Lager Mahr el Bahrad im Norden des Libanons besuchen, in dem überwiegend Palästinenser leben. „Dort sind 80 000 Flüchtlinge auf einer Fläche von rund zwei Quadratkilometern untergebracht, das muss furchtbar sein“, sagt Groth, die bereits vom desolaten Zustand der anderen besuchten Lager sehr betroffen ist. Sie hofft denn auch, dass die Reise „bei einigen Leuten im Menschenrechtsausschuss zu einem Umdenken und irgendwelchem Handeln führt“. Groth selber will sich dafür einsetzen, dass besonders jungen Menschen Stipendien zur Förderung von Ausbildung gewährt werden. „Wenn Menschen nur mit Geld alimentiert werden und keine Perspektive haben, dann ist dies gefährlich“, sagt sie.Dabei blickt sie auch vor die eigene Haustüre und warnt vor Auswirkungen von Hartz IV.

Machtwechsel hätte Wirkung auf den ganzen Nahen Osten

Wie sich ein Sturz des syrischen Präsidenten Assad auswirken wird, vermag Annette Groth trotz vieler Expertengespräche nicht zu sagen. Sicher sei nur, dass ein Machtwechsel auf den ganzen Nahen Osten ausstrahle. Zudem sei zu befürchten, dass es für Christen und andere religiöse Gruppen schwieriger würde, da Assad diesen bislang Schutz geboten habe, sagt die Tochter eines Pfarrers. Als Kind hat Groth in Namibia gelebt und dort Apartheid und Diskriminierung erfahren. Daher rühre ihre ausgesprochener Gerechtigkeitssinn, deshalb engagiere sie sich auch im Menschenrechtsausschuss. Mit Blick auf die Ukraine und die bevorstehende Fußball-EM ist für Groth eines klar: „Menschenrechtsverletzungen muss man anprangern – ganz egal, wo diese stattfinden.“