Ein 23-jähriger Afghane, der aus Tübingen rechtswidrig nach Kabul abgeschoben wurde, muss zurückgeholt werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge räumt Fehler ein. Der junge Afghane hat sich in Tübingen telefonisch gemeldet und schöpft Hoffnung auf eine Rückkehr.

Tübingen - Das Bedauern im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist groß. „Wir werden alle möglichen Wege nutzen, um den jungen Afghanen zeitnah zurückzuholen“, versichert die Pressesprecherin und bezieht sich auf einen Fall, der bisher einmalig ist in Deutschland. Ein Fall von Behördenversagen und mangelhafter Kommunikation, ein Asylverfahren, bei dem vieles schief gelaufen ist und der Ausgang ungewiss.

 

Der 23-jährige Afghane Hasmatullah F., der in einer Flüchtlingsunterkunft in Tübingen lebte, ist rechtswidrig nach Bulgarien und weiter nach Kabul abgeschoben worden. Weil ein Eilverfahren gegen seinen abgelehnten Asylantrag noch anhängig war, hätte er nicht in den Flieger gesetzt werden dürfen. Jetzt muss ihn das Bundesamt nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts in Sigmaringen wieder nach Deutschland zurückbringen. „Es ist das gute Recht eines jeden Flüchtlings, dass geprüft wird, ob er einen Anspruch auf Schutz hat“, sagt Otto-Paul Bitzer, der Pressesprecher des Gerichts.

Die Geschichte von Hasmatullah F. ist vertrackt. Anfang Juni war er nach Deutschland gekommen, seine Flucht hatte ihn über die Balkanroute geführt. In Bulgarien war er für einige Monate inhaftiert worden. Unter Zwang seien ihm, wie er selbst sagt, die Fingerabdrücke abgenommen worden. Für das Bundesamt steht deshalb fest, dass das EU-Land Bulgarien für den 23-Jährigen zuständig ist und er dorthin zurück muss für sein Asylverfahren.

Vom gebuchten Rückflug wusste der Afghane nichts

Das Verwaltungsgericht in Sigmaringen sieht das anders. Aufgrund der menschenunwürdigen Verhältnisse für Asylbewerber in Bulgaren sei eine Rückschiebung nicht zulässig. Außerdem habe das Bundesamt die aufschiebende Wirkung des laufenden Eilverfahrens missachtet.

Das Vorgehen des Bundesamts sei in der Tat nicht korrekt gewesen, bestätigt dessen Sprecherin. Deshalb habe man die Rückholung des Antragstellers aus Bulgarien geplant, der Flug für den 9. Oktober war schon gebucht. Nur wusste Hasmatullah F. nichts davon.

Der junge Afghane saß damals in einem bulgarischen Gefängnis und hatte vor allem eines: Angst. „Sie haben mich dort geschlagen“, hat er am Telefon einem Helfer in Tübingen erzählt. Ihm sei ein Ultimatum gestellt worden. Er komme entweder 18 Monate in ein Gefängnis oder er unterschreibe mehr oder minder freiwillig seine Rückreise nach Afghanistan. Eingeschüchtert von den Behörden, habe er unterschrieben. Die Kopien seiner Dokumente behielten die Bulgaren ein und schickten ihn mit 50 Euro in der Tasche in Richtung Kabul.

Rückholung schwierig

Die Rückholung aus dem Bürgerkriegsland gestaltet sich schwierig. „Wo ein Wille ist, ist aber auch ein Weg“, sagt Markus Niedworok, der Tübinger Anwalt des Afghanen, er macht seinem Mandaten Hoffnung. Zwar sei die deutsche Botschaft wegen eines Bombenanschlags auf lange Zeit geschlossen, aber immerhin habe er die Telefonnummer des Bruders des 23-Jährigen erhalten. „Die schicke ich dem Bundesamt“, sagt Niedworok, der inzwischen regelmäßig Faxe und E-Mails mit der Behörde austauscht. „Es gibt wieder Abschiebeflüge, da müsste es doch möglich sein, Hasmatullah F. in einen Retourflieger zu setzen“, schlägt er vor.

Von einem „massiven Behördenfehler“ spricht die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Die Schilderung der Verhältnisse in den Abschiebe-Einrichtungen Bulgariens seien absolut glaubhaft, bestätigt Bernd Mesovic, der Leiter der Abteilung Rechtspolitik. „Ein Teil der Balkanstaaten prügelt Flüchtlinge regelrecht außer Landes“, dazu gehöre auch Bulgarien.

Sein Engagement für den afghanischen Flüchtling bringt dem Tübinger Anwalt Niedworok längst nicht nur positive Reaktionen ein. Er werde in E-Mails beschimpft, erzählt er. Ihm werde darin vorgeworfen, er sei „eine Schande für die Heimat“ und solle sich schämen, weil er so viel Aufwand für einen Mann betreibe, der eines Tages vielleicht sowieso abgeschoben werde. Das müsse er als Anwalt ausblenden, sagt Niedworok. Er ist gespannt auf den 21. Dezember. Dann wird in Sigmaringen darüber verhandelt, ob das Asylverfahren des Afghanen in Bulgarien durchzuführen ist oder in Deutschland.