Der abgeschobene Unterensinger Hausmeister ist kein Einzelfall. Er versucht, sich in seiner Heimat Togo durchzuschlagen. Der Petitionsausschuss des Landtags setzte sich für seine Rückkehr ein – ohne Erfolg.

Ein bitteres Jahr war 2024, nicht nur für den ehemaligen Unterensinger Hausmeister Sieka Sielca, der im Dezember 2023 am Arbeitsplatz festgenommen und in sein Heimatland Togo abgeschoben wurde, sondern auch für den Petitionsausschuss des baden-württembergischen Landtags. Der Ausschuss votierte nach Rücksprache mit dem Justizministerium für eine Verkürzung der gegen Sielca verhängten Wiedereinreisesperre auf sechs Monate. Doch Sielca ist noch immer nicht zurück in Deutschland. Wie geht es ihm nach all den Strapazen?

 

Die Mitglieder des Petitionsausschusses sahen ihr Votum als rechtlich gangbaren Weg zurück nach Deutschland. Aber das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) zeigte dem Gremium, wo der bürokratische Hammer hängt. Sielca kam im Juni nicht zurück, danach auch nicht. Das RP verweigert aus formalrechtlichen Gründen seine zur Visumerteilung erforderliche Zustimmung.

Hat das Justizministerium in Sachen Sieka Sielca schlecht beraten?

Warum gibt es dann überhaupt ein Petitionsrecht?“, fragte damals im Gespräch mit unserer Zeitung der Unterensinger Bürgermeister Sieghart Friz. Und Andreas Kenner, SPD-Landtagsabgeordneter des örtlichen Wahlkreises und stellvertretender Vorsitzender des Petitionsausschusses, erklärte, der Ausschuss wolle den Bescheid des RP nicht hinnehmen. Man beraumte eine Sondersitzung an mit Vertretern von RP und Justizministerium. Erfolg hatte man nicht.

Der Petitionsausschuss setzt sich aus Mitgliedern des Landtags von Baden-Württemberg zusammen. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Heute berichtet Kenner: Der Ausschuss habe lange Gespräche mit Regierungspräsidentin Susanne Bay (Grüne) geführt. Aber ihre rechtliche Einschätzung des Falls und ihre restriktive Entscheidung änderte die Behörde nicht. „Mich ärgert das“, sagt Kenner. „Wir sind vom Justizministerium schlecht beraten worden.“

Rückblende: Sieka Sielca reiste 2018 nach Deutschland ein, aber nicht wieder aus, als sein Asylantrag abgelehnt wurde. Damit war er Kandidat für eine Abschiebung. Obwohl er eine Festanstellung bei der Gemeinde Unterensingen und vorher bei einem Zustelldienst hatte, seinen kompletten Lebensunterhalt inklusive Mietwohnung selbst verdiente und von seinem Einkommen noch Geld an seine beiden Kinder in Togo schickte. Mit dem Strafrecht kam er nie in Konflikt.

Die Gemeinde hätte ihn gern weiterbeschäftigt, betonte im Juni Bürgermeister Friz, zumal Bewerber für den Job nicht Schlange stünden. Hätte Sielca einen Ausbildungsplatz, dürfte er wieder einreisen. Hat er aber nicht und würde er mit seinen 41 Jahren auch kaum bekommen. Unterensingen kann ihm jedenfalls keinen anbieten.

SPD-Mann Andreas Kenner: „Wir schieben die Falschen ab“

Fazit: Ein unbescholtener Mann, nützliche Arbeit leistend, von der die Gesellschaft ebenso etwas hatte wie er und seine Familie, eine kleine Win-Win-Situation mit großer persönlicher Hoffnung, dann aber am Arbeitsplatz gekidnappt wie in einem finsteren Obrigkeitsstaat. „Wir schieben die Falschen ab“, sagt Andreas Kenner und betont: „Es geht doch nicht um Gutmenschentum, sondern um die Belange der mittelständischen Wirtschaft – und um Gerechtigkeit.“

Denn Sielca ist kein Einzelfall. Kenner erzählt von einem abgeschobenen brasilianischen Bauarbeiter. „Der hat den deutschen Staat nie etwas gekostet.“ Aber der Unternehmer habe größte Probleme, Ersatz zu finden. In Kirchheim am Neckar wurde der damals 28-jährige Altenpfleger Sedia Kijera im November 2023 von der Polizei aus der Frühschicht abgeholt. Über Frankfurt sollte er nach Gambia abgeschoben werden. Da sich der Pilot weigerte, den Passagier mitzunehmen, kam Kijera in Abschiebehaft.

Nach seiner Entlassung im Februar 2024 ist er, wie es im Behördenjargon heißt, „freiwillig“ ausgereist – in der Hoffnung auf eine baldige Rückkehroption. Das Regierungspräsidium machte auch hier einen Strich durch die Rechnung. Kijera soll über 33 000 Euro Abschiebungskosten bezahlen. Bei dem in Gambia üblichen Lohnniveau kann er das Geld dort nicht verdienen. Und es gibt einen Unterschied zu Sieka Sielca: Kijera ist in Deutschland straffällig geworden. 2020 wurde er wegen Handels mit Marihuana zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Der Fall Sedia Kijera unterscheidet sich zum Fall Sieka Sielca

Der Petitionsausschuss lehnte es mit knapper Mehrheit ab, gegen seine Abschiebung zu intervenieren. Doch konnte Kijera eine günstige Sozialprognose vorweisen. Die Ausbildung zum Altenpflegehelfer hat er abgeschlossen. Das Landratsamt Ludwigsburg, das die Rechtsauffassung des RP nicht teilte, hätte grünes Licht gegeben für seine Rückkehr nach Deutschland – in einen Mangelberuf. Sein früherer Arbeitgeber, die Arbeiterwohlfahrt, würde den Pfleger jederzeit wieder einstellen. Kijera muss aber in Gambia bleiben. Dort wurde er im Sommer Opfer eines Überfalls und schwer verletzt. Den Mut lässt er trotzdem nicht sinken: Er versucht, mit in Deutschland gespartem Geld und mit Spenden eine Hühnerfarm aufzubauen.

Auch Sieka Sielca versucht notgedrungen, sich in Togo durchzuschlagen. Birgit Seefeldt, Unterensinger Gemeinderätin und Vorsitzende des Arbeitskreises Asyl, ist in Kontakt mit ihm. „Er hat bis jetzt keinen Job“, sagt sie. Nur eine vage Perspektive: „Er will den Lkw-Führerschein machen. Darin sieht er die einzige Chance, Arbeit zu finden.“

7000 Euro Spenden wurden für ihn gesammelt. Gedacht war das Geld für die Visum- und Rückreisekosten. Jetzt helfen ihm Teilbeträge, die seine Unterensinger Unterstützer ihm zukommen lassen, sich und seine Familie über Wasser zu halten. Den Führerschein will er mit dem Erlös aus dem Verkauf seines Unterensinger Autos und seines Hausrats finanzieren. Wegen der deportationsartigen Abschiebung konnte er selbst sich nicht mehr darum kümmern. „Ich habe das für ihn abgewickelt“, sagt Birgit Seefeldt. Und fügt hinzu: „Ich will ihn gar nicht fragen, wie es ihm geht. Seiner früheren Chefin im Rathaus sagte er: ,gesundheitlich gut, moralisch schlecht’.“

Abschiebedrohung gegen Kirchenmusikerin in Stuttgart

Moralisch schlecht werden kann es einem auch bei einem besonders absurden Vorgang, den diesmal nicht das Regierungspräsidium, sondern das Stuttgarter Ausländeramt in Szene setzte. Im Sommer vergangenen Jahres drohte die Behörde der japanischen Kirchenmusikerin Mizuki Ikeya die Abschiebung an. Sie war vor neun Jahren zum Musikstudium nach Stuttgart gekommen, danach als Organistin und Chorleiterin in verschiedenen Gemeinden, außerdem als Pianistin und Klavierlehrerin tätig. Bestens integriert, allseits geschätzt, krankenversichert, eigenes Einkommen: Das Ausländeramt sah Handlungsbedarf. Weil Ikeya – wie fast alle freiberuflichen Musiker – keine Anstellung über 50 Prozent und keinen unbefristeten Aufenthaltstitel hat. Immerhin, ihr Fall wird noch geprüft, sie ist noch hier.

Für Sieka Sielca nahm die Absurdität jene andere, nahezu aussichtslose Wendung. Was, wenn aus seinen Lkw-Fahrer-Plänen in Togo nichts wird? „Vielleicht höre ich mich doch mal nach einem Ausbildungsplatz um“, sagt Birgit Seefeldt. Man spürt, wie ihr das behördlich verordnete Schicksal nahe geht.