Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis muss erklären, warum der Geheimdienst den Vorsitzenden einer Oppositionspartei und einen Journalisten bespitzelt hat. Die Opposition fordert den Rücktritt des Regierungschefs.

Seit Monaten gab es Gerüchte, jetzt ist es Gewissheit: Am vergangenen Freitag wurde bekannt, dass der griechische Geheimdienst EYP den Europaabgeordneten und Chef der zweitgrößten Oppositionspartei Pasok, Nikos Androulakis, und den Finanzjournalisten Thanasis Koukakis monatelang abgehört hat. Regierungschef Kyriakos Mitsotakis will davon nichts gewusst haben, obwohl ihm der Geheimdienst direkt unterstellt ist.

 

EYP-Chef Panagiotis Kontoleon und der für den Geheimdienst zuständige Generalsekretär im Amt des Ministerpräsidenten, Grigoris Dimitriadis, ein Neffe und langjähriger Vertrauter des Premiers, mussten noch am Freitag ihren Hut nehmen. Aber damit ist die Affäre für Mitsotakis noch lange nicht ausgestanden. Die linksgerichtete Oppositionspartei Syriza sprach am Wochenende von einem „griechischen Watergate“, für das Mitsotakis die Verantwortung trage. Sie fordert deshalb den Rücktritt des Premiers.

Den Geheimdienst sich selbst direkt unterstellt

Syriza-Chef und Ex-Premier Alexis Tsipras erinnerte daran, dass Mitsotakis gleich nach seinem Amtsantritt im Sommer 2019 mit einer Gesetzesänderung den Geheimdienst sich selbst direkt unterstellt hatte. Tsipras fordert nun Auskunft darüber, welche weiteren Politiker und Journalisten bespitzelt werden. Am Donnerstagabend war Geheimdienstchef Kontoleon zur Berichterstattung ins Amt des Ministerpräsidenten einbestellt worden. Dort soll er erklärt haben, Androulakis sei auf Wunsch der Geheimdienste der Ukraine und Armeniens abgehört worden. Zur Begründung sollen die ausländischen Dienste gesagt haben, man interessiere sich für Androulakis‘ Rolle in einem Ausschuss des Europäischen Parlaments, der sich mit den EU-Handelsziehungen zu China befasste. Den Abhörantrag genehmigte im September 2021 die zuständige Staatsanwältin Vasiliki Vlachou. Die Regierung wurde angeblich nicht informiert.

Das wirft Fragen auf: Wie kommen der griechische Geheimdienst und die Justiz dazu, einen Europaabgeordneten und prominenten Oppositionspolitiker zu bespitzeln, nur weil zwei ausländische Geheimdienste dies wünschen? Wusste man im Athener Außenministerium davon? Viele offene Fragen gibt es auch im Fall Koukakis: Warum und auf wessen Initiative der Finanzjournalist abgehört wurde, ist unklar. Die Organisation United Reporters berichtet von einem Dokument, aus dem hervorgehen soll, der Geheimdienst EYP habe Koukakis „aus Gründen der nationalen Sicherheit“ belauscht. Seine Bespitzelung könnte damit zu tun haben, dass er Korruptionsfälle in Politik und Wirtschaft sowie angebliche Fälle von Geldwäsche im Bankenwesen recherchierte. Sei Handy wurde am 21. Juli 2021 mit der Spionage-Software Predator infiziert. Die Regierung bestritt damals jede Beteiligung.

Parlamentarische Untersuchung

Koukakis beantragte bei der zuständigen Aufsichtsbehörde ADAE Auskunft, ob er abgehört werde. Noch während er auf eine Antwort wartete, brachte die Regierung eine Gesetzesänderung durchs Parlament, die es der Behörde untersagt, Betroffenen Auskunft über Abhörpraktiken zu geben. Im April 2022 äußerten das Internationale Presse-Institut (IPI) und weitere der Pressefreiheit verpflichtete Organisationen in einem Brief an Ministerpräsident Mitsotakis „ernste Besorgnisse“ wegen der Bespitzelung von Journalisten in Griechenland. Die Abhörvorwürfe zirkulierten seit Monaten. Die Regierung versuchte lange, das Thema zu ignorieren. Forderungen der Opposition nach Aufklärung wies sie zurück.

Seit den Enthüllungen am Wochenende dürfte Mitsotakis klar geworden sein: Einfach aussitzen kann er die Affäre nicht. Unter dem massiven Druck der Oppositionsparteien ist die Regierung nun doch mit einer parlamentarischen Untersuchung einverstanden. Auch persönlich gerät Mitsotakis immer stärker in Erklärungsnot. Er unterstellte sich zwar den Geheimdienst, hat ihn aber offensichtlich nicht im Griff. Neuer Geheimdienstchef ist Themistoklis Demiris, bisher Generalsekretär im Außenministerium. Die Oppositionsparteien fordern eine schnelle Aufklärung, auch der Druck in den Medien wächst.