Die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle kritisiert das Gartenbauamt für das eigenmächtige Abholzen einer Eibe und fordert eine Neubepflanzung. Das Amt verteidigt sich mit dem Hinweis, es sei „Gefahr im Verzug“ gewesen.

Stuttgart - Der kleine Hinweis eines Bürgers fällt kaum auf. Er klebt in Plastikfolie verpackt am Mast eines Verkehrsschildes und drückt tiefe Betroffenheit aus: „Angeblich wegen ein paar Spritzen wurde die kleine Eibe, circa 2,50 hoch, einfach abgesägt – 15. Januar … hier davor.“ Den Abschluss der Nachricht bildet ein trauriges Emoji.

 

Tatort ist ein kleines Stück Natur zwischen einem Parkplatz und der Wand des Breuninger-Parkhauses. Dort stehen noch drei Bäume und ein Strauch. Nicht viel Grün also, weshalb man die Traurigkeit des Bürgers nachvollziehen kann.

Zur Tat ist im Januar das Garten- und Friedhofsamt geschritten, wie die Sprecherin des Amtes bestätigt: Der Standort besagter Eibe sei bei der Polizei und dem Ordnungsamt als Brennpunktgebiet bekannt. „Die Eibe wurde aufgrund ihres dichten Buschwerks zunehmend als Versteck für Spritzen missbraucht, weswegen das Garten-, Friedhofs- und Forstamt am 15. Januar tätig wurde und sie entfernt hat.“ Immer wieder sei die Eibe missbräuchlich zur Beseitigung von Spritzen und Müll auch von Exkrementen genutzt worden. Als Gründe für die Beseitigung „sind Sauberkeit und soziale Kontrolle zu nennen. Ersatz wird es nicht geben.“

Harte Kritik von Kienzle

Heinz Rittberger, Inhaber von „Seifen Lenz“, kann das bestätigen. Aus seinem Laden ist die Stelle sehr gut zu überblicken. „Diesen Platz, wo auch der Notausgang des Breuninger-Parkhauses ist, haben Fixer gerne genutzt.“ Allerdings stellt er die Maßnahme des Gartenbauamtes in Frage: „Ich sage seit Jahrzehnten, dass man dieser Problematik mit Fixerstuben begegnen muss.“ Die Abholzung von Bäumen und Sträuchern hält er für den falschen Weg. Es hätte sicher auch andere Lösungen gegeben. Etwa die Reinigung des Platzes oder der Einsatz von Streetworkern.

So denkt nicht nur Heinz Rittberger. Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle ist aus allen Wolken gefallen, als sie Kunde von der Abholzung bekommen hatte: „So etwas ist eine hilflose Aktion, die keinen Sinn ergibt. Denn dadurch haben wir keinen einzigen Junkie weniger an dieser Stelle. Wozu haben wir denn Streetworker?“ Zudem widerspricht sie der Behauptung des Gartenbauamtes: „Dieser Ort ist gar nicht als Brennpunkt bekannt. So etwas gab es noch nie. Diese Aktion ist aus vielen Gründen total daneben.“

Ein Grund sei auch, dass Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Bürgermeister Dirk Thürnau wenige Meter entfernt von der Abholzungsstelle unlängst mit großem Auftritt für rund 50 000 Euro pro Stück zwei Mooswände installiert hätten. Auch Bäume seien dort vor der Bäckerei Nast aus gutem Grund neu gepflanzt worden. „Wir sind da ja nicht weit von dem Platz entfernt, der die schlechtesten Luftwerte in der Republik hat“, ergänzt Kienzle, „daher brauchen wir dort Bäume und Sträuche.“

Fällung ohne Rücksprache

Weitere Gründe für ihren Ärger sind, dass es keinen Ersatz für die Eibe geben soll sowie die Vorgehensweise des Amtes. „Normalerweise ist es vereinbart, dass das Garten- und Friedhofsamt solche Dinge vorher mit uns abspricht.“ Meistens seien die Gründe für eine Abholzung dann auch nachvollziehbar. Sei es aus Sicherheitsaspekten oder weil eine Baustelle eingerichtet werden müsse. Grundsätzlich sei man in der Innenstadt jedoch an einem Punkt angelangt, an dem insgesamt ein großer Verlust an Bäumen zu beklagen sei. „Deshalb fordere ich jetzt eine Nachpflanzung – und zwar im Verhältnis eins zu zwei.“

Doch das Gartenbauamt verteidigt sich mit dem Hinweis, dass Gefahr in Verzug gewesen sei. In diesem Fall dürfe man ohne Anweisung der Polizei oder des Ordnungsamtes einen Baum oder einen Strauch fällen: „Bei der Eibe handelt es sich um keinen geschützten Baum, sondern um einen Strauch, welcher bei Gefahr im Verzug eigenverantwortlich vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt beseitigt werden darf.“ Auch die Abwägung, wann und ob es sich überhaupt um eine gefährliche Lage für die Bevölkerung handelt, darf das Amt offenbar selbst entscheiden.