Abi-Prüfungen sind bisher weder einheitlich noch gerecht. Die Kultusminister der Länder wollen einen gemeinsamen Pool für die Prüfungen. Außerdem sollen hochbegabte Schüler besser gefördert werden.

Stuttgart - Gut möglich, dass einige Medienvertreter den Taschenrechner zücken, wenn diesen Freitag auf der Kultusministerkonferenz in Berlin eine „Aufgabensammlung mit orientierendem Charakter für den Abituraufgabenpool ab 2017“ vorgestellt wird. Mit Beispielen soll erläutert werden, wie sich die 16 Länder bei den Abi-Aufgaben näher kommen könnten. In zwei Jahren soll ein Pool von Aufgaben zur Verfügung stehen, aus dem die Länder sich „bedienen“ können – aber nicht müssen.

 

Seit Jahren sorgen die ungleichen Notendurchschnitte für Verdruß. Die Vergleichbarkeit des Abiturs wird angezweifelt, seit Statistiken zeigten, dass die Top-Noten mit einer Eins vorm Komma in Thüringen mehr als doppelt so oft vorkommen wie in Niedersachsen. In Thüringen haben 36,9 Prozent der Abiturienten eine Durchschnittsnote von 1,0 bis 1,9; in Bayern sind es 26,4 Prozent und in Sachsen 25,8. Im Mittelfeld liegt Baden-Württemberg mit 21,8 Prozent Einsern. Am Ende der Skala mit wenigen Top-Absolventen rangieren Schleswig-Holstein (16,8) und Niedersachsen (14,9 Prozent). Sind junge Thüringern schlauer? Oder ist das Abi für sie leichter?

Auch bei der Abi-Durchschnittsnote fallen die Werte auseinander: Wieder ist Thüringen mit einem Notenschnitt von 2,17 der Klassenbeste. Baden-Württemberg liegt mit 2,46 auf Platz zwölf; auf dem letzten Platz bei der Durchschnittsnote rangiert wieder das Land mit den wenigen Einsern: Niedersachsen mit 2,61. Bei Baden-Württemberg unterstellen die Experten einen Sondereffekt: die hohe Zahl von Abschlüssen an beruflichen Gymnasien – wo die Prüfungen schlechter ausfallen als bei allgemeinbildenden – drückt den Durchschnitt nach unten. Betrachtet man nur allgemeinbildende Gymnasien, läge der Südwesten auf Platz sechs.

Die CDU-Ministerin aus Sachsen findet klare Worte

Die Abiturnote ist bei vielen Studienfächern ausschlaggebend für eine Zulassung an der Hochschule. Eine Unwucht in der bundesweiten Verteilung wird daher als sehr ungerecht empfunden. „Wir müssen zu Vergleichbarkeit kommen“, sagte die amtierende KMK-Präsidentin, Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth. In der „Leipziger Volkszeitung“ hatte sie kürzlich ungewohnt klare Worte gefunden: „Die Länder mit weniger Ansprüchen werden nicht umhinkommen, sich an den sächsischen Standards zu orientieren.“ Einzelne Länder könnten es sich nicht auf Dauer leisten, „drei Schuljahre hinterherzuhinken“ oder „Hauptfächer aus den Abiturprüfungen herauszulassen“.

Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle (CSU) will als Sprecher der Kultusminister der unionsgeführten Länder – also auch Sachsen und Hessen – eine Qualitätssicherung des Abiturs dauerhaft in einem Staatsvertrag verankern, der habe die „höchste Bindewirkung“. Moderat positioniert sich Andreas Stoch (SPD), der Kultusminister in Stuttgart: Es sei wichtig, die „bundesweite Vergleichbarkeit der Abiturnoten schrittweise zu verbessern“. Der gemeinsame Aufgabenpool, an dem die Länder arbeiteten, sei da ein gutes Mittel.

Beraten worden ist auf der KMK auch eine von Sachsen angeregte Förderstrategie für begabte Kinder. Für die „Überflieger“ ist Langeweile im Unterricht oft unerträglich. Für junge Talente sollen die Möglichkeiten einer frühen Diagnose ausgebaut werden. Die KMK rät zum früheren Einschulen sowie Überspringen von Klassen. Auch soll es im Unterricht Extra-Projekte sowie Freiräume für die Hochbegabten geben. Als „überfällig“ lobte Heinz-Peter Meidinger vom Philologenverband den Vorstoß: Die Bildungspolitik habe bisher den Schwerpunkt auf die Förderung Leistungsschwächerer gelegt und „Spitzenbegabungen systematisch vernachlässigt“.