Der Automarkt in China leidet unter einer Flaute. Pünktlich zur Internationalen Automobilausstellung IAA hat die deutsche Autoindustrie darum ihre Absatzprognose für das Reich der Mitte zurückgeschraubt. Dennoch: die Langfristaussichten sehen gut aus.
Peking - In diesem Jahr macht der Autoboom in China definitiv Pause, und die Anbieter reagieren im zunehmenden Konkurrenzkampf mit immer höheren Rabatten. Die deutsche Autoindustrie hat ihre Absatzprognose für China angesichts der Flaute in den vergangenen Monaten nun zurückgeschraubt. „China bleibt auf Kurs, schaltet jedoch einen Gang zurück“, erklärte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, am Montag kurz vor Beginn der Automesse IAA in Frankfurt.
Der Verband rechnet für das Gesamtjahr mit einem Neuwagen-Absatz von rund 19 Millionen Fahrzeugen nach 18,4 Millionen Pkw im Vorjahr. Vor zwei Monaten hatte Verbandspräsident Wissmann noch 19,5 Millionen Neuzulassungen prognostiziert. Auch die Daten des chinesischen Autohändlerverbands CAAM zeigen, dass die Autoverkäufe im August um drei Prozent zurückgegangen sind.
Es gibt eine deutliche Unsicherheit bei den Käufern
Die Funktionäre sehen jedoch einen Silberstreif am Horizont: Der Rückgang sei bereits deutlich langsamer als noch im Juli. Da lag das Minus noch bei sieben Prozent. „Fürs Gesamtjahr ist die Wahrscheinlichkeit eines negativen Absatzwachstums jedoch weiterhin hoch“, warnt Shi Jianhua, der Vizegeneralsekretär des Verbands. Er fordert von der Regierung Stützmaßnahmen für den Markt oder zumindest eine autofreundlichere Gesetzgebung.
Marktführer VW hat im August mit seiner Tochterfirma FAW-Volkswagen einen Absatzrückgang von 13 Prozent verzeichnet. Da zudem noch unverkaufte Ware vom Vorjahr in Autohäusern auf einen Käufer gewartet hat, ist die Auslastung der Fabriken drastisch gefallen. Der Grund für die Schwankung ist die deutliche Unsicherheit bei den Käufern. Das chinesische Wirtschaftswachstum liegt auf dem niedrigsten Wert seit anderthalb Jahrzehnten. Wichtiger dürfte jedoch die Regulierung des Autoverkehrs sein: Viele Städte haben die Zahl von Neuzulassungen beschränkt, um den Verkehrskollaps zu verlangsamen.
Autofunktionär Shi verlangt nun die Aufweichung von Abgasstandards, um vor allem einheimischen Anbietern einen Schub zu geben. Auch im preiswerten Marktsegment bekämpfen sich die hier überwiegend chinesischen Anbieter inzwischen mit ruinösen Rabatten. „Die Konkurrenz nimmt zu“, beobachtet Lian Hoon Lim von der Unternehmensberatung Alix Partners. „Die Bedingungen werden schwieriger, und die Lagerbestände steigen.“ Auch er erwartet für das Gesamtjahr ein Minus.
Schon 2017 könnte der Absatz jedoch wieder anziehen
Noch im Jahr 2010 war der Autoabsatz in China um spektakuläre 40 Prozent gestiegen. Heftige Schwankungen des Marktes gehören jedoch gleichwohl in einem Schwellenland dazu. Manager aller Marken haben die Möglichkeit einer Atempause immer in Betracht gezogen, wenn sie auch nicht vorhersagen konnten, wann es so weit sein würde. Inzwischen sind nun auch immer pessimistischere Prognosen für 2016 zu hören. Analysten der Großbank Credit Suisse rechnen allenfalls mit einem Plus von drei Prozent im kommenden Jahr.
2017 könnte der Absatz jedoch wieder anziehen und in den zweistelligen Bereich klettern, denn die Langfristaussichten sehen insgesamt gut aus. Nur einer von zwölf Chinesen besitzt bisher ein Auto, während der Wohlstand weiter zunimmt. Analysten halten die aktuelle Atempause für eine gesunde Chance zur Bereinigung des Marktes – und zu einer Anpassung der Erwartungen an die tatsächlichen Möglichkeiten.