Wirtschaftsminister Gabriel will, dass die Stromkonzerne alte Kohlekraftwerke vom Netz nehmen. Anders könne Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen. Die Industrie warnt vor steigenden Strompreisen.

Berlin - Die Bundesregierung will mehr für den Klimaschutz tun. Dafür sollen Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Das Ziel ist, dass die Emissionen von Treibhausgasen in Deutschland bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent gesenkt werden, um die Erwärmung der Atmosphäre und den Klimawandel zu begrenzen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) stößt aber mit seinen Plänen für zusätzliche CO2-Einsparungen bei Kohlekraftwerken auf Widerstand der Betreiber. Nach einem kurzfristig einberaumten Spitzengespräch mit Vertretern der Stromkonernze bekräftigte Gabriel aber, dass er eine deutliche Kohlendioxid-Reduktion durchsetzen wolle. „Wir müssen bis 2020 zusätzlich 22 Millionen Tonnen CO2 im Kraftwerkspark einsparen“, sagte er am Montag. Eine Zwangsabschaltung plane er nicht, hatte er schon vor dem Gespräch betont. Bis zum Sommer 2015 könnte das Gesetz stehen, hieß es. Es soll so gestaltet werden, dass die Konzerne nicht auf Entschädigungen klagen können. Dafür sollen die Unternehmen flexibel entscheiden dürfen, wie sie von 2016 bis 2020 jährlich 4,4 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

 

Vor dem Treffen hatte die Industrie die Bundesregierung vor drastisch steigenden Strompreisen gewarnt, wenn sie Pläne für eine Abschaltung von Kohlekraftwerken weiterverfolge. „Kraftwerksstilllegungen schädigen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie ganz unmittelbar“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber.

Seit 2011 sind die Emissionen wieder gestiegen

Barbara Hendricks, die Bundesumweltministerin, will dem Kabinett in der nächsten Woche einen Aktionsplan zum Klimaschutz vorlegen, damit das CO2-Ziel doch noch erreicht werden kann. Die 2008 gestartete nationale Klimaschutzinitiative reicht dazu nicht. Mit ihr soll der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 auf 748 Millionen Tonnen gesenkt werden. Im vergangenen Jahr waren es noch 951 Millionen Tonnen. Gegenüber 1990 (1248 Millionen Tonnen) ist das ein Fortschritt, aber seit 2011 haben die Emissionen wieder jedes Jahr zugenommen.

Einen großen zusätzlichen Beitrag wünscht sich Hendricks von den Energieversorgern. Sie sollen Kohlekraftwerke abschalten oder drosseln, denn die stoßen pro Kilowattstunde Strom am meisten klimaschädliche Gase von allen Stromerzeugern aus. Für jede Kilowattstunde emittieren alte Braunkohlekraftwerke 1,3 Kilogramm Kohlendioxid, die neuesten immer noch 800 Gramm.

In den vergangenen Wochen schien es so, als streite sich die Ministerin mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel über die Kohlekraftwerke. Gleichzeitig aus der Atomenergie aussteigen und Kohlekraftwerke zurückfahren gehe nicht, stellte Gabriel fest. Nun verlangt aber auch er einen Beitrag zur Klimarettung von den Kraftwerksbetreibern.

40 Prozent der Treibhausgase aus Kohlekraftwerken

An den Treibhausgasen haben Kohlekraftwerke einen Anteil von 40 Prozent. Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, müsse die Stromversorgung wesentlich umgestaltet werden, sagt das Umweltbundesamt. Das bedeutet unter anderem, dass keine neuen Kohlekraftwerke mehr gebaut werden dürfen, auch nicht als Brückentechnologie bis erneuerbare Energien die Versorgung in Deutschland komplett übernehmen können.

Wegen des starken Ausbaus und des Vorrangs erneuerbarer Energien bei der Stromeinspeisung laufen Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen immer weniger. Die Versorger haben bereits viele davon stillgelegt, selbst ganz neue Gaskraftwerke. Am rentabelsten sind derzeit noch Braunkohlekraftwerke, mit denen Strom für vier bis fünf Cent je Kilowattstunde erzeugt werden kann. Rechnet man jedoch alle Umweltkosten ein, kommen fast elf Cent hinzu, weil Braunkohlenstrom die höchsten Umweltschäden verursacht.

Das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut rechnet allerdings bei einer Stilllegung von zehn Gigawatt Leistung damit, dass die Strompreise bis 2020 um sieben Euro je Megawattstunde steigen könnten, was zu Nachteilen für energieintensive Unternehmen führen werde. Außerdem gingen bis zu 74  000 Arbeitsplätze verloren. In diesem Fall würde mehr Strom importiert, und der Ausstoß von Kohlendioxid in der EU würde damit nicht weniger, weil im Ausland mehr Treibhausgase emittiert würden. Den Auftrag für die Studie gab der Bundesverband der Deutschen Industrie.