Abschiebung in Stuttgart-Heumaden Sie können die Familie Haliti nicht vergessen

Ende 2016 ist eine sechsköpfige Familie aus Stuttgart-Heumaden in den Kosovo abgeschoben worden. Die Empörung damals war gewaltig. Bis heute ist der Kontakt nicht abgerissen – und die Hoffnung auf eine Rückkehr nicht aufgegeben.
Heumaden - Lea und Aurona telefonieren viel, tauschen per Whatsapp tüchtig Bilder, Gedanken und Grüße aus. Typisch Teenager. Sehen können sich die 14- und 16-jährigen Freundinnen nur sehr selten. Lea lebt in Heumaden. Aurona hat hier auch bis vor knapp drei Jahren gewohnt. Bis sie und ihre Familie zurück in den Kosovo mussten. Die sechsköpfige Familie Haliti wurden Ende 2016 abgeschoben. Vier Tage vor Weihnachten kam die Polizei. Jeder durfte einen Koffer packen. Am selben Abend landete die Familie im Balkanstaat und kam in einem Zimmer bei Verwandten unter.
Der Kosovo gilt als sicher. Asylanträge werden in der Regel abgelehnt. Was die Menschen in Sillenbuch aber bis heute umtreibt: Die Halitis waren top integriert. Vater und Mutter hatten Ausbildungsverträge, wollten Altenpfleger werden. Aurona war im Gymnasium, die Geschwister in Grundschule und Kindergarten. „Sie sind alle Einserschüler“, sagt Mieke Piazza, Leas Mutter. Die Familie hatte sogar einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart erhalten, dass dem Land untersagt werde, „aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenüber den Antragstellern zu treffen“. Er zielte darauf ab, dass für die Eltern eine Ausbildungsduldung geprüft werden sollte. Da hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) allerdings bereits den Rückführungsflug gebucht. Der Verwaltungsgerichtshof entschied, dass der Stuttgarter Beschluss geändert wird. Bereits Ende 2016 erklärte ein RP-Sprecher gegenüber unserer Zeitung, dass die Abschiebung rechtmäßig gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Ausbildungsduldung hätten nicht vorgelegen. Mieke Piazza seufzt. „Die Halitis haben das nicht verdient. Sie haben alles richtig gemacht und sind unsagbar bemüht.“
Freundeskreis sammelt Spenden
Bemüht sind auch andere. Bis heute gibt es einen Freundeskreis, der Spenden sammelt und Kontakt hält. Lehrer, Asylhelfer, Bekannte. Mieke Piazza ist der Kopf der Gruppe. Sie telefoniert etwa einmal die Woche mit den Halitis, ist zweimal im Jahr vor Ort. Die 51-Jährige berichtet von ärmlichen Verhältnissen und zeigt Fotos von verschimmelten Rohbau-Wänden und Matratzen, von Essen, das im Hof auf einem Gaskocher zubereitet wird, weil es keinen Herd gibt. Vater Mehdi Haliti arbeite bei einer Müllabfuhr, er verdiene aber weniger, als die Miete koste. Mutter Adelina Imeri helfe als Näherin aus. Die Halitis bekommen monatlich Spenden, „weil sie sonst gar nicht existieren könnten“, sagt Mieke Piazza.
Sie schickt regelmäßig Koffer mit Kleidung, Hygieneartikeln, kleinen Elektrogeräten, Bettwäsche, Handtüchern, Schulsachen. Auch ein Computer, Handys und ein Holzofen wurden spendiert. Beim jüngsten Flohmarkt in Sillenbuch hat Mieke Piazza wieder Spenden gesammelt und über das Schicksal aufgeklärt. Die Halitis sollten nicht in Vergessenheit geraten. „Für mich ist es erschreckend zu wissen, dass sie keine Zukunft haben.“ Aus eigener Kraft könne sich die Familie nicht aus der Armut befreien, glaubt sie.
Korrespondenz mit den Behörden füllt einen Ordner
Die Heumadenerin versucht alles, um die Eheleute Haliti und ihre sieben- bis 16-jährigen Kinder wieder auf legalem Weg nach Deutschland zu bekommen. Ihre Korrespondenz mit den Behörden füllt inzwischen einen Ordner. „Ich habe noch nicht aufgegeben, aber es ist sehr zermürbend“, sagt sie. Der Antrag auf Verkürzung der Wiedereinreisefrist sei abgelehnt worden. Nicht mal Besuche der Kinder seien erlaubt. Einen Termin in der deutschen Botschaft im Kosovo erhalte sie nicht. „Du rennst gegen geschlossene Türen. Ich weiß nicht, wohin ich noch gehen soll“, sagt Mieke Piazza.
Ihre letzte Information sei, dass die Familie unter anderem ein sicheres Einkommen und eine Wohnung vorweisen müsse. Aktuell versucht sie, zumindest für Aurona ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) zu organisieren. In den Herbstferien wird sie mit ihrer Tochter Lea wieder in den Kosovo reisen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Mieke Piazza sagt: „Ich weiß, ich mache das Richtige. Die Familie gehört hierher.“
Kontakt zu Mieke Piazza
Mieke Piazza kann man in dieser Sache per Mail kontaktieren, die Adresse lautet: herzenssache-familiehaliti@gmx.de
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