Mit einem neuen Maßnahmenkatalog will Innenminister Seehofer sein Ziel erreichen, die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen. Was nun spannend wird: wie wird sich der Koalitionspartner dazu verhalten?

Berlin - Mit umfangreichen Gesetzesverschärfungen will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Zahl der Abschiebungen erhöhen und die Gründe für die Ausweisung von Ausländern erweitern. „Nur wenn sichergestellt ist, dass vollziehbar Ausreisepflichtige unser Land tatsächlich verlassen, hat Deutschland die Ressourcen, diejenigen Menschen, die Schutz benötigen, zu unterstützen“, heißt es in der Begründung für das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz, dessen Entwurf unserer Zeitung vorliegt.

 

Ende 2018 waren demnach knapp 236 000 Menschen ausreisepflichtig. Davon waren etwa 180 000 im Besitz einer Duldung, entweder aus humanitären Gründen oder aber schlicht, weil Papiere fehlen. Gut 26 000 Menschen wurden abgeschoben, bei 31 000 gelang dies nicht. „Im vergangenen Jahr sind fast 8000 Rückführungen allein am Flugtag gescheitert, weil der Ausreisepflichtige untergetaucht oder nicht anzutreffen war“, sagte der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Thorsten Frei dazu unserer Zeitung. „Wir müssen deshalb dringend die Anordnung des Ausreisegewahrsams erleichtern. Das ist einer der Schlüssel für mehr Rückführungen.“

Abschiebegewahrsam ohne Richter

Der Entwurf sieht zum Beispiel vor, dass Ausweisungen schon wegen Sozialleistungsbetrugs und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz möglich werden. Künftig sollen Menschen bis zu zehn Tage vor der geplanten Abschiebung ohne richterliche Anordnung in Haft genommen werden. Damit das überhaupt möglich ist, wird argumentiert, es handele sich beim Ausreisegewahrsam rechtlich nicht um Haft, sondern um eine „Reisebeschränkung ins Inland“ – demnach könne sich der Abzuschiebende theoretisch jederzeit frei bewegen, solange er ausreise.

Künftig soll es auch für zivilgesellschaftliche Gruppen verboten sein, Abschiebetermine zu veröffentlichen. Behördenmitarbeiter, die Betroffene vor Abschiebung warnen, sollen bestraft werden. Der Minister will künftig auch vorübergehend das geltende Gebot einer Trennung zwischen Straf- und Abschiebegefangenen aufheben, weil nicht genügend Haftplätze existieren.

Haft als Druckmittel

Auch die Gründe dafür, einen Menschen in Abschiebehaft zu nehmen, sollen erheblich ausgeweitet werden. So sollen Ausländer, die nicht daran mitwirken, die rechtlichen Voraussetzungen für die eigene Abschiebung zu schaffen, für bis zu 18 Monate in „erweiterte Vorbereitungshaft“ genommen werden können. Im Visier sind demnach vor allem ausreisepflichtige Ausländer, die ihre Identität verschleiern. Als weiteres Druckmittel soll ein Aufenthaltsstatus unterhalb der „Duldung“ geschaffen werden. Wer künftig in Verdacht ist, seine Ausreise zu verhindern, soll nur noch eine Art Duldung light erhalten. Betroffene seien „von Integrationsangeboten und Angeboten, die zur Aufenthaltsverfestigung führen können, auszuschließen“.

Der Entwurf wird nun mit den beteiligten Ministerien abgestimmt. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) appellierte an die Koalition, die Maßnahmen so umzusetzen: „Es braucht neue Werkzeuge im Instrumentenkasten“, sagte Strobl unserer Zeitung. „Wichtig ist, dass der Entwurf im weiteren Verfahren nicht verwässert wird.“ Die SPD reagierte zunächst verhalten. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Burkhard Lischka, sagte: „Ich halte es für wesentlich wichtiger, bestehende Vorschriften konsequent umzusetzen, als ständig neue Gesetze zu ersinnen.“

Mit scharfer Kritik reagierte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Luise Amtsberg. „Zunächst einmal kann ich nur hoffen, dass dieser Referentenentwurf ein Entwurf bleibt und vor allen Dingen die SPD-geführten Ressorts dafür Sorge tragen, dass dieser Angriff auf individuelle Grundrechte und den Rechtsstaat niemals in Gesetzesform gegossen wird“, sagte Amtsberg unserer Zeitung. Der Innenminister versuche, mit Zwangsmaßnahmen die Zahl der Abschiebungen nach oben zu treiben, und vergesse, dass die jüngsten Gesetzesverschärfungen von 2017 noch gar keine Wirkung hätten entfalten können. „Stattdessen wütet hier mal wieder blinder Aktionismus auf Kosten von Menschen und ihren Rechten.“