Die Regierungsparteien in Berlin sind sich rasch einig: Die Hürden für einen Landesverweis straffälliger Ausländer werden erheblich gesenkt. Dennoch kann längst nicht jeder abgeschoben werden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Das Aufenthaltsgesetz in seiner aktuell gültigen Fassung ist noch keine zwei Wochen alt. Dennoch steht eine neuerliche Korrektur an. Unter dem Eindruck der Ausschreitungen in der Silvesternacht haben sich Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und sein sozialdemokratischer Justizkollege Heiko Maas darauf verständigt, Regeln einzufügen, die kriminellen Ausländern das Leben in Deutschland erheblich erschweren.

 

Bei Gesetzesverstößen können Ausländer des Landes verwiesen werden. Dabei ist maßgeblich, wie groß das Interesse des Staates an einer Ausweisung ist. Nach bisheriger Rechtslage galt dieses Interesse als schwerwiegend, wenn die betreffenden Personen zu einer Haftstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden sind. Bei Freiheitsstrafen über zwei Jahren war bisher von einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse auszugehen.

Rechtstreue in Deutschland maßgeblich für Ausweisung

Diese Hürden werden jetzt deutlich gesenkt. Künftig genügt jede Freiheitsstrafe, um ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse zu begründen. Das gilt bei Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder bei Widerstand gegen die Polizei. Bei allen anderen Delikten liegt das Limit bei einem Jahr Haft. Es soll keine Rolle mehr spielen, ob der Delinquent ins Gefängnis muss oder seine Strafe auf Bewährung verhängt wird. Bei Haftstrafen über einem Jahr wird ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse unterstellt. Wenn ein Ausländer ausgewiesen werden soll, ist künftig zu berücksichtigen, wie rechtstreu er sich verhält.

Bei der Ausweisung spielt auch eine Rolle, wie lange jemand schon in Deutschland ansässig ist und ob er Familie hat. Ausländer, die seit mindestens fünf Jahren hier leben, auf deutschem Boden geboren oder mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet sind, können nur bei schwerwiegendem Ausweisungsinteresse des Landes verwiesen werden.

Flüchtlinge riskieren bei Straftaten ihren Schutz

Für anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge, die Schutz nach der Genfer Konvention genießen, gelten besonders strenge Maßstäbe für den Fall, dass eine Ausweisung erwogen wird. Auch diesem Personenkreis wird der Schutz künftig jedoch versagt, wenn eine schwere Straftat vorliegt. Die Toleranzgrenze liegt bei einem Jahr Haft, unabhängig davon, ob diese zur Bewährung ausgesetzt ist. Bei geringeren Delikten riskieren Ausländer den Flüchtlingsschutz, sofern sie zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt werden.

Auch die verschärften Regeln werden nicht gewährleisten, dass alle kriminellen Ausländer auf die Heimreise geschickt werden können. Selbst wenn die Voraussetzungen für eine Ausweisung vorliegen, können humanitäre Gründe einer Abschiebung entgegenstehen. Dies zu beurteilen obliegt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dabei sind zum Beispiel die Verhältnisse in dem Land maßgeblich, in das abgeschoben werden soll. Wenn dort „eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht“, hindert das die Abschiebung. Die Abschiebung scheitert auch häufig daran, dass gar nicht klar ist, aus welchem Land die Leute stammen, die hier als Flüchtlinge ankommen. Die meisten führen keine Papiere mit sich. Wenn sich die Herkunft klären lässt, müssen Ersatzpapiere beschafft werden, was sehr langwierig sein kann. Auch Staaten, mit denen ein Rücknahmeabkommen vereinbart wurde, nehmen straffällige Flüchtlinge nicht mit offenen Armen auf. Das bekam die Kanzlerin von Algeriens Premier Abdelmalek Sellal zu hören, der sie am Dienstag besuchte. Zwar gibt es seit 1997 ein Rücknahmeabkommen, der Staatsgast betonte jedoch, kriminelle Flüchtlinge dürften nur einreisen, sofern eindeutig erwiesen sei, dass es sich um Algerier handelt.