Abgelehnte Asylbewerber werden zwar häufiger abgeschoben als bisher – auch weil die Länder härter durchgreifen. Doch längst nicht alle, die eigentlich gehen sollten, verlassen Deutschland.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration hat sich die Mühe gemacht, die Rechtslage für Asylbewerber auf einem DIN-4-Blatt zusammen zu fassen. Diese „vereinfachte Darstellung eines Asylverfahrens“ sieht zehn Verfahrensschritte und eine zweistellige Zahl von Eventualfällen vor. Es dauert lange, bis die Behörde die „Vollziehbarkeit der Abschiebeandrohung“ feststellt. Und selbst dann werden längst nicht alle abgeschoben, die zur Ausreise verpflichtet wären.

 

Wer wird abgeschoben?

Flüchtlinge, die mit ihrem Asylantrag in Deutschland scheitern, müssen deshalb noch lange nicht das Land verlassen. Sie können auch einen Aufenthaltstitel erlangen, wenn sie zwar nicht asylberechtigt sind, aber „subsidiären Schutz“ wegen akuter Gefahren in ihrer Heimat oder Ansprüche nach der Genfer Flüchtlingskonvention geltend machen können. Personen, für die das nicht zutrifft, müssen nach Abschluss des Verfahrens eigentlich nach spätestens 30 Tagen die Bundesrepublik verlassen. Wenn ihr Asylbegehren offensichtlich unbegründet ist, verkürzt sich die Ausreisepflicht auf nur eine Woche. Dagegen kann man sich aber bei Gericht zu Wehr setzen – was die Abschiebung wiederum verzögert. Ende Oktober hielten sich 200 000 Flüchtlinge im Land auf, die zur Ausreise verpflichtet wären. Nur jeder Zehnte von ihnen wurde tatsächlich abgeschoben. Manche kehren auch freiwillig in ihre Heimat zurück. Der Staat belohnt das mit Prämien und diversen Hilfen, die es erleichtern sollen, im Herkunftsland wieder Fuß zu fassen. Solche Hilfsprogramme bietet die Asylbehörde in Nürnberg an. Viele Bundesländer haben eigene Rückkehrerprogramme.

Warum scheitern viele Abschiebungen?

Wenn den Flüchtlingen, die Deutschland unter Zwang verlassen sollen, in ihrer Heimat „eine erhebliche individuelle Gefahr oder extreme allgemeine Gefahr“ droht, dürfen sie nicht abgeschoben werden. So regelt es Paragraf 60 des Aufenthaltsgesetzes. Ein weiteres Abschiebehindernis liegt dann vor, wenn das Risiko der „wesentlichen Verschlechterung einer bestehenden Erkrankung“ zu unterstellen ist, weil diese im Herkunftsland nicht angemessen behandelt werden kann. Häufig kommt es auch vor, dass Abschiebekandidaten untertauchen, bevor die Polizei sie abholt.

Wie werden Abschiebungen erleichtert?

Ende Oktober hat die große Koalition das Asylrecht verschärft. Mit dem so genannten Asylpaket I wurde auch das Aufenthaltsgesetz geändert. Seitdem werden Abschiebungen nicht mehr angekündigt – sie dürfen nicht mehr angekündigt werden. Wer zur Ausreise verpflichtet ist, muss also jederzeit damit rechnen, dass die Polizei ihn abholt und zum nächsten Flughafen bringt. Mit dem Asylpaket II sollen Abschiebungen weiter erleichtert werden. Darauf hatten sich die Koalitionäre im November verständigt.

Die Details sind aber noch umstritten. Der Gesetzentwurf kann erst nächstes Jahr in Kraft treten. Flüchtlinge sollen so lange in der Erstaufnahme-Einrichtung verbleiben, bis ihr Verfahren abgeschlossen ist. Die abgelehnten Asylbewerber sollen dann noch aus dieser Unterkunft abgeschoben werden. Die geplante Korrektur bisher geltender Vorschriften zielt vor allem auf Abschiebehindernisse. Demnach sollen gesundheitliche Probleme nur dann einer Abschiebung entgegen stehen, wenn es sich um lebensgefährliche oder zumindest schwerwiegende Krankheiten handelt. Die Auflagen für Ärzte, die das attestieren, werden verschärft.

Die Hilfsorganisation Pro Asyl wirft der Regierung vor, damit schüre sie eine „Misstrauenskultur gegenüber Ärzten“. Atteste müssen künftig auch umgehend vorgelegt werden – nicht erst dann, wenn eine Abschiebung ansteht. Häufig werden so genannte posttraumatische Belastungsstörungen als Grund angeführt, warum Flüchtlingen eine Abschiebung nicht zumutbar sei. Sofern sich diese durch Medikamente behandeln lassen, werden solche Symptome nicht mehr als Abschiebehindernis anerkannt.