Anja Wessel verabschiedet sich als Pfarrerin von der Haigst-Kirchengemeinde in Stuttgart-Degerloch. Das Pfarramt auf dem Haigst entfällt damit.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Stuttgart-Degerloch - Den Ausblick von der Haigstkirche runter in die Stadt kann die Pfarrerin Anja Wessel nicht mitnehmen an ihre neue Wirkungsstätte ans Pfarrseminar der evangelischen Landeskirche in Stuttgart-Birkach. Ihre Erfahrungen schon, denn dort kümmert sie sich vom 1. September an um die angehenden Pfarrerinnen und Pfarrer. Und Erfahrungen konnte sie von Juni 2013 an viele sammeln an diesem Aussichtsort, zunächst auch als geschäftsführende Pfarrerin dieser Gemeinde. Wessel: „Das war eine Wunschstelle, eine kleine eigenständige Gemeinde. Dazu gehören die Gottesdienste, aber auch die Möglichkeit, vieles auszuprobieren.“ Teilnahme und Mitnahme könnte das Motto von Wessel lauten, denn ihr Ziel in den vergangenen Jahren war die Öffnung des Gotteshauses und der Gemeinde. „Die Arbeit mit den Familien war wichtig, auch mit den Kindern, etwa im Kindergarten. Die haben sich auch mit eigenen Ideen an der Gestaltung von Gottesdiensten beteiligt.“

 

Mit dem Pfarrplan 2024 entfällt das Pfarramt auf dem Haigst

Andere Vorhaben waren die Entwicklung von Abendgottesdiensten oder nach dem Vorbild der Taizé-Gemeinde mit viel Gesang und Stille. „Auch mit einem Gospelchor haben wir Verschiedenes ausgelotet“, erinnert sich Wessel. So gibt es in der Kirche schräg oberhalb des Santiago-de-Chile-Platzes mit Zahnradbahn-Haltestelle eine kleine, feine Kammermusik-Reihe, die auch außerhalb der Gemeinde Interesse findet. Hier ist auch die äthiopisch-orthodoxe Gemeinde seit vielen Jahren zu Hause. Eine uralte Tradition des Pfarrers als Hirte der Gemeinde hat Wessel ebenfalls wieder gepflegt: Hausbesuche. „Das konnte zu Geburtstagen sein, bei Krankheitsfällen. Eben wenn die Menschen nicht mehr in die Kirche kommen können.“

Freilich: Dem Trend, dass immer mehr Menschen den christlichen Kirchen den Rücken kehren, konnte Wessel auch in der Haigst-Gemeinde nicht stoppen. Die evangelische Landeskirche hat darauf unter anderem mit dem Pfarrplan 2024 reagiert. Eine Lösung sind Fusionen. Konkret heißt das: Seit 2019 hat sich die Haigst-Gemeinde mit der von St. Markus im Stuttgarter Süden zusammengeschlossen. Das praktisch auszugestalten, ohne größere Einschränkungen für die Haigst-Christen, war auch eine große Aufgabe für Wessel. Denn Diskussionen, Enttäuschungen und Befürchtungen gab es viele. „Der Haigst befindet sich an der Grenze zwischen Innenstadt und Degerloch, diese Zerrissenheit spürt man hier immer wieder“, so Wessel.

Der Zusammenhalt in der Gemeinde sei groß

Aber zugleich weiß sie auch um den Zusammenhalt in dieser Gemeinde. Wessel: „Die Wohlstandsunterschiede sind hier sicherlich größer als in anderen Stadtteilen, aber im Gemeindeleben fällt das nicht auf.“ Wer etwas mehr Geld übrig hat, beteiligt sich etwa an der Stiftung Haigst-Kirche, die es seit vielen Jahren gibt, oder spendet einen entsprechenden Betrag für die Kammermusik-Reihe, die Musik auf hohem Niveau ohne Eintrittspreis ermöglicht. Da ist Wessel zufrieden mit der Zusammenlegung: „Das Pfarramt auf dem Haigst fällt weg, aber eine feste Zuständigkeit bleibt. Jetzt gibt es eben zwei Pfarrstellen für diese Gemeinde.“ Nun sollte sich noch der Gesamtkirchengemeinderat im Herbst für die Unverzichtbarkeit der Haigstkirche aussprechen. Wessel: „An solch einem prominenten Aussichtsort und markanten Stadtpunkt sollte auch das Evangelium eine sichtbare Gestalt haben.“

Am 12. September um 14.30 Uhr ist die Verabschiedung von Pfarrerin Anja Wessel mit einem Gottesdienst und anschließendem Empfang. Aufgrund der Hygienemaßnahmen findet dies in der Markuskirche statt. Eine Anmeldung ist im Gemeindebüro erforderlich.