Es ist gar nicht so leicht loszulassen, wenn der Schulalltag das Leben bestimmt hat. Für Regine Hahn beginnt mit den Sommerferien ein neuer Lebensabschnitt. Die Leiterin der Körschtalschule in Stuttgart-Plieningen geht in den Ruhestand.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Nichts. „Gar, gar nichts, will ich erst mal tun“, sagt Regine Hahn. Wer sie kennt, hat Mühe, dieses Bild in den Kopf zu bekommen: wie die kleine, quirlige Frau die Beine hochlegt, verharrt und nicht gleich wieder aufspringt, um dieses oder jenes zu erledigen. Auch Regine Hahn dürfte es schwerfallen, sich das vorzustellen. Aber sie hat es sich vorgenommen. Weil sie neugierig ist auf den Freiraum, der mit Beginn der großen Ferien für sie beginnt. Mit 64 Jahren verabschiedet sich die Leiterin der Plieninger Körschtalschule in den Ruhestand, und damit ein Jahr früher, als sie es müsste. Sie will es so. „Ich freue mich richtig“, sagt sie.

 

Doch bevor es so weit ist, bevor sie die Zeit hat, das Nichtstun zu entdecken, steht noch einiges an. „Bitte davon nicht stören lassen“, sagt sie und lässt ihren Blick durch das Schulleiterzimmer schweifen. „Hier ist alles im Aufbruch.“ Sie hat begonnen, zusammenzupacken. „Ich weiß genau: Es geht nur wenig mit nach Hause. Die Bilder auf jeden Fall, die Blumen werden verschenkt, die Akten geschreddert.“ Regine Hahn wird sich vom meisten trennen, weil alles seine Zeit hat. Und ihre, die sie zu einem Hauptteil der Schule gewidmet hat, ist dabei abzulaufen. Sie kann das Ende fast schon greifen. Das fühle sich an wie „Achterbahn“, erzählt sie. „Es gibt schon noch Teile in mir, die noch nicht begriffen haben, dass ich nach den Ferien kein zweites Zuhause mehr habe.“

Die Schule hat ihr Leben gefüllt

Ihr erstes und dann einziges Zuhause ist in Ruit, bei ihrem Mann und ihrem Hund. Ihr Mann, ein Richter, ist seit einem Jahr Ruheständler. Klar war für Regine Hahn, dass sie nicht gleichzeitig aufhören will. „Wenn zwei Workaholics zeitgleich in aufhören, dann gut’ Nacht.“ Die Schule füllte ihr Leben. Wochenenden fielen auch mal aus. Vor allem, wenn es wieder politisch anstrengend wurde. Sei es wegen der Umwandlung in die Gemeinschaftsschule, sei es wegen des gewünschten Mensabaus, sei es wegen der Querelen um die Raumnot. Wichtige Briefe tippte sie am liebsten daheim, früh am Morgen oder spät am Abend. „Zwischen zwei Waschmaschinen.“ Aber genau so wollte sie es. Regine Hahn wollte gestalten und nicht darüber meckern, was andere besser machen könnten. Deshalb ist sie Schulleiterin geworden.

Regine Hahn Foto: Sägesser

Aufgewachsen ist Regine Hahn nahe Tübingen. Sie hat in Reutlingen an der damaligen Pädagogischen Hochschule studiert, ihre Fächer: Deutsch und Geschichte. Die erste Stelle bekam sie an der Grund- und Hauptschule in Bodelshausen. Vor genau 40 Jahren wechselte sie an die Filderschule nach Degerloch. Es folgten weitere – sowohl gewollte als auch ungewollte – Wechsel im Raum Stuttgart, bis sie 1991 als Konrektorin in Luginsland begann, drei Jahre später die Leitung der Albschule Degerloch übernahm und schließlich 2005 den Chefsessel der Körschtalschule erklomm.

Die Körschtalschule hieß noch Grund- und Hauptschule Plieningen. In den elf Jahren, die sie hier verbringen sollte, hat sie drei Schularten erlebt. Aus der Hauptschule wurde die Werkrealschule, und aus der Werkrealschule wurde die Gemeinschaftschule. Dabei verfolgte Regine Hahn jenseits der schulpolitischen Moden vor allem ein Ziel: „Es muss eine Schule geben, die nach Klasse zehn einen qualifizierten Abschluss anbietet.“

Die Kapitänin geht mit einem guten Gefühl

Wenn sie nun geht, hat sie ein gutes Gefühl. „Das Kollegium ist gut aufgestellt.“ Was wichtig ist, denn bisher gibt es noch keinen Nachfolger. Wäre vor einem halben Jahr Schluss gewesen, hätte Regine Hahn schwer loslassen können. „Da hat das noch Ängste bei mir ausgelöst.“ Zu viel Chaos, zu viele Unsicherheiten. Doch nun, fast wie ein Abschiedsgeschenk, haben sich die Dinge glücklich gefügt. Seit der vergangenen Woche ist klar, dass die Körschtalschule einen Erweiterungsbau bekommt und keine Zwischenlösung. Und auch der Bau einer Mensa für die Körschtalschule und das Paracelsus-Gymnasium ist nach heftigen Debatten auf einem guten Weg. Das hilft der Kapitänin, sich vom Ruder zu lösen.

Ob es ihr von August an gelingt, nichts zu tun, wird sich zeigen. Und etwas hat Regine Hahn dann doch im Hinterkopf. „Momentan ist mir vor allem nach Ausmisten.“ Schränke, Schubladen, Keller, alles soll durchforstet werden. „Entscheiden und wegwerfen“, sagt sie. Ballast abwerfen, um frei zu sein, um Raum zu schaffen.

Während sich andere in dieser Situation längst nach einem Ehrenamt umgesehen hätten, sagt sie: „Das will ich den anderen nicht zumuten. Sonst fange ich gleich wieder an, zu kommandieren. Nein, nein, nein.“ Sie kennt sich. Und vielleicht ist sie genau deshalb neugierig darauf, sich von einer neuen Seite zu erleben.