Joachim Beck verlässt die Evangelische Akademie in Bad Boll. Im Interview räumt der scheidende Leiter ein, dass er nicht ganz freiwillig seinen Sessel räumt.

Region: Andreas Pflüger (eas)
Bad Boll – Er hat stets versucht, Sparbeschlüsse der Kirchenleitung und konzeptionelle Arbeit in Einklang zu bringen. Mitten in diesem Prozess verlässt der seit knapp sieben Jahren amtierende Chef Joachim L. Beck die Evangelische Akademie.
Herzlichen Glückwunsch, Herr Beck. Sie haben es geschafft!
Das klingt ja so, als ob es eine Strafe wäre, Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll zu sein. Aber wahrscheinlich meinen Sie etwas anderes.

Na ja, Sie haben vor vier Jahren den Auftrag erhalten, den Tagungsbetrieb an der Akademie kostendeckend zu gestalten. Wenn Sie nun zum Ende des Monats gehen, müsste dieses Ziel ja eigentlich erreicht sein.
Ja – die Aufgabe und Herausforderung war und ist, zum einen eine gute inhaltliche Arbeit zu machen und zum anderen weitere Einsparungen zu erbringen. Oder anders gesagt: die Akademie muss weitere Kürzungen umsetzen, der Personalabbau geht weiter – auch über mein Ausscheiden hinaus. Wir haben bereits viel erreicht, weitere Schritte geplant, entsprechende konzeptionelle Überlegungen angestellt und in den zuständigen Gremien beraten. Die Umsetzung ist noch nicht abgeschlossen. Bis 2017 sollen die Umstrukturierungen und Kürzungen, die durch die AG Zukunft der Landessynode und des Oberkirchenrats beschlossen sind, umgesetzt sein.

Sie gehen also – was so gar nicht zu Ihnen passen will – obwohl Ihre Arbeit noch nicht getan ist?
Meine Aufgabe war es zu schauen, ob die Einsparungen überhaupt erreicht werden können und welche Folgen es hat, wenn weitere Stellen gestrichen werden. Dazu habe ich einen Stellenbewirtschaftungsplan entwickelt, der noch umzusetzen ist. Ich gehe also mitten im Prozess. Persönlich hätte ich es klug gefunden, die Umsetzung in den kommenden ein oder zwei Jahren mitgestalten zu können. Die Kirchenleitung hat anders entschieden.

Müssen Sie etwa gehen, weil ein anderer möglicherweise nicht so widerspenstig ist und es sowohl schneller als auch besser richten wird als Sie?
Ich bin selbstbewusst genug zu sagen, dass ich den schwierigen und belastenden Job der Umstrukturierungen und des Stellenabbaus gut gemeistert habe. Natürlich habe ich auch immer wieder gesagt, was zu sagen ist: Kirche muss in den gesellschaftlichen Feldern erkennbar sein, Kirche muss sich einmischen. Kürzungen in gesellschaftspolitischen Arbeitsbereichen – nicht nur bei der Akademie Bad Boll – halte ich deshalb für falsch. Eine Kernaufgabe der Kirche ist und bleibt das gesellschaftspolitische Engagement. Als Christ muss man sich für das Gemeinwohl engagieren. Wir sind – mit dem Zimmermannssohn aus Nazareth gesprochen: Salz der Erde und Licht der Welt. Ich verlasse die Akademie, weil Leitungsämter in dieser Kirche befristet sind und weil ich gerne noch vor meinem Ruhestand etwas anderes anpacken will.

Haben Sie die Sparziele erreicht?
Wir sind auf einem sehr guten Weg, haben die Etappenziele geschafft. Und wir stellen uns den immer neuen Herausforderungen: Höhere Lohnkosten und Preissteigerungen zum Beispiel im Energiebereich müssen ja aufgefangen werden. Die Belegung im Tagungszentrum der Akademie stieg in den vergangenen Jahren. Die Herausforderung wird bleiben, dies in Zusammenarbeit mit den anderen kirchlichen Tagungszentren auszubauen. Das eigene Profil muss dabei erhalten bleiben und erkennbar sein.

Und inhaltlich? Worauf hat man verzichtet? Worauf wird man noch verzichten müssen?
Im letzten Gespräch mit Ihnen habe ich gesagt: Wir müssen auch Wichtiges bleiben lassen. Eine Akademie mit deutlich weniger Studienleitenden – gegenüber meinem Beginn in einer solchen Funktion im Jahr 1994 gibt es nur noch rund die Hälfte – kann weniger Themen nachhaltig und mit der notwendigen Sachkenntnis besetzen. So haben wir das Programm eher gesellschaftspolitisch ausgerichtet, haben persönlichkeitsorientierte Themen sowie Fort- und Weiterbildungen zurückgefahren. Wir stellen auch immer wieder fest, dass die Zeit und der Raum fehlen, Themen zu verfolgen, Anfragen nach Tagungen aufzugreifen. Es ist nicht gut, wenn Erwartungen an die Kirche, in dem Fall an die Akademie, gestellt werden, denen wir nicht nachkommen können.

Sie haben Ihre Abschiedsrede, die Sie am 30. September halten, unter den Titel „Eine schöne schwere Zeit“ gestellt. Was war in 18 Akademie-Jahren das Schönste?
Ich denke gerne an die vielen Menschen, die mir und der Evangelischen Akademie mit großem Vertrauen begegnet sind. Das ist ein hohes Gut, das wir da erleben: Menschen erwarten etwas von ihrer Kirche und deren Repräsentanten. Menschen unterschiedlichster Milieus und in verschiedenen Aufgabenbereichen wollen mit der Kirche zusammen etwas voranbringen. Sie sorgen sich um die Zukunft, sie wollen gerechte Sozialstrukturen, dass Menschen vom Lohn für ihre Arbeit auch leben können. Sie sehen, dass die Würde des Menschen bedroht wird, wenn immer neue Screenings für Neugeborene auf den Markt geworfen werden, sehen die zunehmende Ökonomisierung der Lebensbereiche, wenn immer die Frage vorne dran steht: „was bringt’s?“ All diese politisch und zivilgesellschaftlich Engagierten zu erleben, ist wunderbar. Und Mitarbeitende zu haben, die nach vorne gehen, immer wieder Neues wagen. Auch das ist ausgesprochen gut.

Und was war das Schwerste?
Schwer war manche Diskussion über die Akademie, das Infragestellen der Arbeit, das in jeder Kürzungsdebatte mitschwingt. Das hat Spuren hinterlassen, nicht nur bei mir. Dass nicht immer die Solidarität aller in der Kirche erkennbar und spürbar war. Der Kampf, die Sorge um Arbeitsplätze, das Engagement für eine weltoffene, streitbare Kirche – auch das gehört zur Bilanz von mehr als 18 Jahren Akademie dazu.

Und was kommt jetzt? Nicht für die Akademie, sondern für Joachim L. Beck?
Zunächst werde ich in Heidelberg ein Semester studieren, mich mit Fragen der Diakonie und Religion, mit Kirche und Gesellschaft beschäftigen. Eine Zeit, in der ich auch bilanzieren möchte und den Blick auf die neue Aufgabe richten werde. Im Februar übernehme ich dann die Leitung der Fortbildung für Gemeinde und Diakonie, bringe mich also in die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Diakoninnen und Diakonen, Pfarramtssekretärinnen und anderen Mitarbeitenden der Kirche und Gemeinde ein. Dazu gehört auch, in Stuttgart, meinem neuen Wohnort, heimisch zu werden.