Vier Wochen nach seiner Niederlage verbreitet der scheidende Geislinger Oberbürgermeister Wolfgang Amann schon wieder Zuversicht. Den Erfolg seines Herausforderers erklärt er sich mit kurzfristig wirkenden Effekten.

Region: Corinna Meinke (com)

Geislingen - Klick, da ist es wieder. Wolfgang Amann knipst sein Lächeln an. Vier Wochen nach der wohl bittersten Niederlage seines Lebens, der verlorenen Geislinger OB-Wahl gegen den Kuchener Frank Dehmer, kann der 55-Jährige wieder lächeln und sogar seine Familie zum Weitermachen anfeuern, auch wenn er Ende August seinen Hut als Chef im Geislinger Rathaus nehmen muss. Die Familie und sein Zuhause in der Geislinger Forststraße bieten Amann den nötigen Rückhalt.

 

„Wir haben eine klare Arbeitsteilung“, beschreibt Karin Amann ihren Alltag als Ehefrau des parteilosen OB. Weil der Terminkalender ihres Mannes meistens überquillt, kümmert sich Karin Amann als Familienmanagerin um das Privatleben mit drei erwachsenen Töchtern, dem knapp zehnjährigen Enkel Mike und um die eigene Mutter, die im Erdgeschoss des Viergenerationenhauses wohnt. Mittags sitzen bis zu zehn Personen um den großen Esstisch im großzügig bemessenen Dachgeschoss, das den Blick frei gibt auf das sprudelnde Wasser am Filswehr und auf den Kuchener Spitzenberg.

Bitterer Blick nach Westen

Dass dieser Blick nach Westen, wo Dehmer zu Hause ist, eines Tages mit trüben Gedanken verbunden sein könnte, lag für Karin Amann bis zum Wahltag fern. Aber jetzt schwingt Verbitterung in ihrer Stimme, wenn sie beschreibt, wie sie beim Einkaufen neuerdings Geschäfte meidet, weil dort im Wahlkampf für Dehmer geworben wurde. Mit einer begütigenden Handbewegung versucht Wolfgang Amann die Worte seiner Frau zu relativieren, schließlich sei er der Ausgleichende und der „ewige Optimist“, wie ihn seine Frau charakterisiert.

Um sich seine Niederlage zu erklären, bemüht Amann den antiken Vergleich. Wie Leonidas in der Schlacht bei den Thermopylen habe er sich gefühlt,. 480 vor Christus wurde der spartanische König von den Persern vernichtend geschlagen, weil er verraten wurde. Verrat wittert Amann auch in den eigenen Reihen des Gemeinderats. Waren es doch die Räte der Grünalternativen Liste, die nach der Kommunalwahl mit ihrer Unterstützung für den Gegenkandidaten Frank Dehmer herausrückten.

Verräter im Gemeinderat

„Viel schmerzlicher ist es, wenn einem das Messer aus den eigenen Reihen ins Kreuz geschlagen wird“, beschreibt Amann seine aktuelle Gefühlslage. Mehr Emotionen erlaubt sich der 55-Jährige nicht, der drauf und dran ist, seine Laufbahn als Ingenieur wieder aufzunehmen, die ihn vor seiner Wahl 1998 zunächst zum Verband der Chemischen Industrie nach Baden-Baden und 1990 zur Heidelberger Druckmaschinen AG nach Amstetten geführt hatte.

Seit damals sind die Amanns in Geislingen fest verwurzelt. Die Kinder gingen hier zur Schule und längst zählt eine der Töchter zu den rund 2000 Geislinger Studenten, auf die Wolfgang Amann zu Recht stolz ist und für deren Ansiedlung sich schon der damals junge OB verkämpfte. Alle Töchter wurden Sportakrobaten und folgten den Ambitionen ihrer sportlichen Eltern, die bis heute die Freude an der Bewegung zur Musik gemeinsam beim Gesellschaftstanz ausleben.

Aktiv in Altenstadt

„Wir sind halt eine alte TVA-Familie“, sagt Amann bei Kaffee und Kuchen mit einem Schmunzeln und erklärt, dass für ihn die Stadt, das Amt des OBs und die Familie bisher eins waren. Die Kinder nicken bestätigend. In dicken Fotoalben ist dokumentiert, dass das Amt Amann eine Menge schöner Momente beschert hat: bei den närrischen Auftritten im Rahmen der Geislinger Kreissäge, im 11er -Rat des Turnvereins Altenstadt (TVA) und bei vielen Reisen und Empfängen.

Ob Zuhause, im Gemeinderat oder in der Verwaltung: Amann wird nachgesagt, er verbreite Harmonie. Eine Eigenschaft, die bei den Töchtern Angie, Nadine und Elaine auf fruchtbaren Boden gefallen sein muss, denn bis heute verbringt das Dreigestirn samt Partnern den Urlaub regelmäßig im Kreis der Familie, und es gehört zu den ungeschriebenen Gesetzen im Hause Amann, dass bei gelegentlichen Segeltörns auf dem Bodensee der Papa das Ruder in der Hand hat.

Bekannt als Vielschaffer

Hätte Karin Amann nicht schon lange ein Ferienhaus für die zehn Personen an der Costa Brava gebucht, wären Amanns diesen Sommer vielleicht zur Umrundung des italienischen Stiefels oder des Peloponnes’ aufgebrochen, vielwöchige Reisen, die sie sich eigentlich für den Ruhestand vorbehalten hatten. Mit Blick auf ihren Mann glaubt sie allerdings auch nach Ende der 16-jährigen Ära als OB noch längst nicht an eine ruhige Zeit, sie kennt ihren Mann nur als Vielschaffer. „Wahrscheinlich wird der Nachfolger sich für das Pensum Unterstützung holen müssen“, vermutet die Pädagogin. Schon bei Amanns Weggang von Heidelberger soll es drei Leute gebraucht haben, um die Lücke zu füllen.

Nach dem Amtsantritt im Geislinger Rathaus mussten die Finanzen konsolidiert und der Stellenplan gestrafft werden. Amann schaffte die Stellen von zwei Beigeordneten und eines persönlichen Referenten ab. Dass Fleiß und Einsatz für die Geislinger Belange, die ihm den Spitznamen „Stammesfürst im Oberen Filstal“ eingetragen haben, nicht mit einer dritten Amtszeit belohnt wurden, erklärt sich Amann auch mit dem aggressiven Wahlkampf seines Herausforderers. Dieser habe bis zum letzten Tag per SMS und auf Facebook versucht, seine Anhänger mit negativen Themen kurzfristig zu fesseln. „Diese Bindungskraft habe ich unterschätzt“, resümiert Amann. „Ich dachte, es erreicht die Menschen, wenn ich die aufgeworfenen Widersprüche beispielsweise zu den städtischen Finanzen mit logischen Argumenten erkläre, aber da ist wohl der Techniker mit mir durchgegangen.“