Catharina Raible hat das Stadtmuseum nach vorne gebracht, jetzt geht sie nach Bietigheim. Zum Hornmoldhaus hat sie eine besondere Beziehung.

Gerlingen - Was wäre ein Museum ohne Statistik: 28 Ausstellungen hat Catharina Raible, die scheidende Leiterin des Gerlinger Stadtmuseums, in ihrer Amtszeit seit Oktober 2010 organisiert. Mitgezählt sind dabei auch die Abteilungen der Dauerausstellung im Haus, die sie neu präsentiert hat – zum Beispiel über die Vertreibung mit dem Ankommen in der neuen Heimat Gerlingen und die Funde aus der Frühzeit der Stadt. Und sie hat das Nebengebäude mit dem alten Kaufmannsladen reaktiviert. Raible wird im Juni neue Leiterin des Museums Hornmoldhaus in Bietigheim-Bissingen. „Ich gehe nicht im Unfrieden, ich freue mich auf die neue Chance in einem größeren Haus“, sagt sie.

 

Studium auch in Frankreich

Die heute 43-Jährige hatte Kunstgeschichte, Archäologie und Betriebswirtschaft studiert, in Tübingen, Aix-en-Provence in Frankreich und in Bonn, und die Doktorarbeit so gut wie fertig, als sie 2010 vom Gemeinderat gewählt wurde. Das Museum war in den Achtzigern im Alten Schulhaus an der Weilimdorfer Straße eingerichtet worden, Heidrun Rothe-Wörner hatte es bis 2005 geleitet. Dann gab es eine etwa vierjährige Phase mit der Leiterin Nicole Deisenberger und eine Vakanz. Raible brachte neue Impulse mit – auch wenn die Stelle wegen Finanznot von 75 auf 50 Prozent gekürzt worden war. Ehrenamtliche und Geringbeschäftigte halfen, und sie tun es noch heute.

Raible erzählt, wo und von wem sie sich damals beraten ließ: „Das Hornmoldhaus in Bietigheim war mein Vorbild. Ich informierte mich dort im März 2011 und tauschte mich mit der Kollegin Regina Ille-Kopp aus.“ Damals wusste sie noch nicht, dass sie acht Jahre später deren Nachfolgerin werden würde. Raible sieht im Hornmoldhaus großes Potenzial, nicht nur wegen des historisch bedeutenden Hauses von 1535. Sie habe nun auch privat die Möglichkeit, von ihrem Wohnort Kornwestheim aus eine Vollzeitstelle auszufüllen. In Gerlingen waren es zum Schluss 65 Prozent, plus Projektaufträgen für das Landesdenkmalamt und das Schloss Ludwigsburg.

Personen im Vordergrund

Im Gerlinger Stadtmuseum war Raibles Grundlage der orts- und personenbezogene Ansatz. Zum Beispiel in der Ausstellung über Flucht und Vertreibung, aber auch in der DDR-Schau. Wer wusste schon, dass einige Gerlinger früher deren Bürger waren? Dass ein Stadtrat als junger Kerl von einem Marineboot der DDR davon schwamm?

Über Ur-Gerlinger Themen wie die Solitude oder die Firma Bosch zeigte sie viele Details, aber auch Vereine stellte sie vor. Wenn es sich anbot, bezog sie Leihgaben von Menschen aus der Stadt mit ein: Kinderfotos, Ranzen, Spielzeug. Und etliche der Ausstellungen wurden in Gerlingens Partnerstadt Tata in Ungarn präsentiert – eine Reminiszenz an die Ungarndeutschen, die ebenfalls im Haus gewürdigt werden.

In Gerlingen fanden auch überregionale Medien die Figur, welche die Bundeskanzlerin als Vorbild für sparsame Lebensweise herausgestellt hatte: die schwäbische Hausfrau. Die war damals gerade für eine der beliebten Kostümführungen im Stadtmuseum erfunden worden. Über Gerlingen wurde in einer Kochshow, in der Deutschen Welle und dem Guardian berichtet.

Altes Schulhaus seit Jahren sanierungsbedürftig

All dies konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Alte Schulhaus seit Jahren sanierungsbedürftig ist. Raible wies schon früh darauf hin. 2014 fasste der Gemeinderat den ersten Beschluss. Nach langem Hin und Her wird jetzt das Baugesuch für einen Ergänzungsbau vorbereitet. Wie es dann genau weitergeht, weiß noch niemand. Sie hätte sich eine zügigere Vorgehensweise gewünscht, sagt Raible dazu – betont aber, dass das Hingehaltenwerden nicht der Grund für ihren Abschied sei. Mit Anfang Vierzig habe sie eine neue berufliche Herausforderung gesucht. Die Bietigheimer dürfen auf ihr Temperament, ihre Fantasie und ihre Ideen gespannt sein.

Der Bürgermeister Georg Brenner sagte zur scheidenden Museumsleiterin in einer Ausschusssitzung des Gemeinderats: „Ihre Ausstellungseröffnungen sind ein Fest, sie werden als Höhepunkt des täglichen Lebens empfunden.“ Mit „Bella Figura“ findet das nochmals am 19. Mai statt.