Die „Traumschiff“-Ausgabe zu Neujahr war ein einziges Versprechen: Auch 2018 bleibt beim ZDF alles, wie es war. Zwar ist Heide Keller fort, aber sie wird zu ersetzen sein. Und Beatrice von Lebedur wird jetzt Drehbuchstar in Hollywood. Wie das?

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Wenn ein Jahreswechsel den Instanzen unseres Staates und unserer Gesellschaft dazu dient, eine Bilanz des Vergangenen zu ziehen und eine Idee für die Zukunft zu verkünden, dann lautet jedenfalls die Botschaft von ARD und ZDF zu Beginn des Jahres 2018: Prosit Neujahr, liebes Kernpublikum, fern leuchtet zwar das Morgenrot, aber sorgt Euch nicht, wir bleiben die Alten.

 

Also sendete man am Silvesterabend auf beiden Hauptkanälen eine sehr teuer produzierte, jeweils rund fünfstündige Silvestershow, der eine aus Graz, der andere aus Berlin, und erreicht damit summa summarum Pi mal Daumen eine besch...eidene Gesamtzuschauermenge, nämlich unter sechs Millionen, die zu seinen besten Zeiten der ARD-„Silvesterstadl“ noch allein erzielen konnte. Wem fiel da schon groß auf, dass Roberto Blanco bei seinem Auftritt in Graz noch nicht mal mehr den Text von „Ein bisschen Spaß muss sein“ im Koppe hat.

Grad so gemütlich ging es am Neujahrsabend weiter: Im Ersten lief ein „Tatort“ von jener Sorte, wie sie uns laut gültigem Versprechen des ARD-Programmchefs Volker Herres im neuen Jahr fast immer sicher sein sollen, nämlich „ohne Experimente“, also routiniert, sprunghaft und unlogisch. Und im Zweiten tuckerte wieder das „Traumschiff“ über die Weltmeere, wie seit 1981 stets am ersten Abend eines neuen Jahres. Und mögen auch sonst überall in der internationalen Serienwelt alle Regeln auf den Kopf gestellt und die Verhältnisse ins Tanzen geraten sein, auf diesem ZDF-Luxusdampfer gilt weiterhin die eiserne Dramaturgenregel: Die ersten dreißig Minuten befindet sich das Schiff auf der Hinfahrt, die zweiten dreißig Minuten ist Landgang (diesmal in Los Angeles), die letzten dreißig Minuten fahren alle heim, und dann kommt zum Dessert die Eisbombe mit den Wunderkerzen.

Doch halt! Diesmal war natürlich doch alles anders, weil, wie ja schon seit Monaten angekündigt, die seit der ersten Folge, mithin seit 36 Jahren im Dienst sich befindende Chefstewardess Beatrice von Lebedur auf eigenen Wunsch hin in den Ruhestand verabschiedet wurde. Nun hat deren Darstellerin Heide Keller allein deswegen schon unsere große Sympathie, weil die 77-Jährige nie ihre sympathische Bodenständigkeit verloren hat, was vermutlich daran liegt, dass sie im für eine solche Lebenshaltung ganz typischen Düren aufgewachsen ist. Nein, sie selbst hat nie behauptet, das ZDF betreibe auf dem „Traumschiff“ großes Erzählkino (das behauptet nur das ZDF selbst) und sie selbst sei dort eine Charakterdarstellerin. Nein, nein, nein, auf dem Seriendampfer soll sich der Zuschauer schlicht jedes Jahr wieder sofort daheim und ungestört fühlen – das ist eben das, was in Mainz seit Jahr und Tag unter „guter Unterhaltung“ verstanden wird.

Robert Redford spielt die Hauptrolle

Kein falsches Wort auch darüber, dass die Chefstewardess Beatrice in den vergangenen Jahren an körperlicher Wucht deutlich zugelegt hat, was manchen Gang auf schwankendem Deck nicht mehr ganz einfach machte, denn das gilt ebenso für den Rest der Besatzung, Kapitän Sascha Hehn und Schiffsarzt Nick Wilder, die wie ja TV-Zuschauer und Kritiker auch über die Jahre an Gewicht gewonnen haben.

Nein, Anerkennung an dieser Stelle sogar dafür, dass die Drehbuchautoren Heide Keller einen traumhaften Abschied bescherten: Die Idee, Beatrice unter Pseudonym ein Buch über ihre Kindheit schreiben zu lassen, teilweise in Versform (die Chefstewardess selbst sprach in diesem Zusammenhang von einem Roman), das noch während der Überfahrt zum Bestseller avanciert, sodass sich in Hollywood prompt ein Filmproduzent „mit einem Chardonnay von bestem Jahrgang“ um die Rechte bewirbt und Robert Redford (kein Witz!) für die Hauptrolle engagiert – diese Idee ist so herrlich ins Märchenhafte überdreht, dass sie beim Zusehen ebenso wunderbar knackt wie beim Zubeißen ein Neujahrsröllchen des Traditionsschausteller-Backunternehmens Louis Rath. Allerdings bei ähnlichem Anfall von Krümeln.

Unser Tipp: Harald Schmidt wird der Nachfolger

So ging zum Schluss Beatrice als künftige Drehbuchautorin von Bord (wenn auch nicht auf Stöckelschuhen, wie eigentlich versprochen; unsere Artikel-Überschrift ist übrigens eine Anspielung auf den Reichskanzler Otto von Bismarck, bei dessen Abgang eine Karikatur 1888 hieß: „Der Lotse geht von Bord“). Und dem Anlass zu Ehren ließ das ZDF sogar die Eisbombe weg, damit der Kapitän eine längere Rede halten konnte. Schließlich stand Beatrice dann mit ihren Köfferchen am Kai und sagte „Danke“ in die Kamera, während auf dem davonfahrenden Schiff alle an Deck standen und winkten. Für die Schauspielerin Heide Keller beginnt nun etwas Neues. Für den TV-Zuschauer hingegen hat das ZDF längst adäquaten Ersatz gefunden: Barbara Wussow. Dabei hätte doch Harald Schmidt als Kreuzfahrtdirektor Oskar Schifferle längst eine Beförderung verdient gehabt.