Als sie 1991 im Rathaus anfängt, sieht die kulturelle Landschaft der Stadt anders aus. Zum Abschied bricht die Kulturamtsleiterin eine Lanze für die Stadthalle.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Leonberg - In den Tagen des Abschieds hat man viele Abendtermine. Man wird von alten Weggefährten eingeladen um über vergangene Zeiten zu plaudern. So denkt sich Christina Ossowski nichts dabei, als sie am Dienstag bei Hans und Márta Mendler zu einem kleinen Abendessen Gast ist.

 

Doch in Mendlers Atelier in der Altstadt warten nicht nur der Künstler und seine Frau. Gut 30 Kulturschaffende sind da, um der scheidenden Kulturamtsleiterin ihre Aufwartung zu machen. Alles Leute, mit denen es Christina Ossowski in den fast 27 Jahren ihres Wirkens zu tun hatte. Und alle haben für die „Mrs. Kultur“ der Stadt ein eigenes Abschiedsgeschenk dabei.

Wieland Storek hat den Überraschungsabend initiiert. Dass es dem langjährigen Vorstandsmitglied des Galerievereins tatsächlich gelungen ist, eine hohe Zahl überaus individueller Künstler in einen Raum zu bringen, zeugt von der hohen Wertschätzung, die Christina Ossowski genießt. Sie ist das Bindeglied zwischen der Szene und der Verwaltung, die oft den Rahmen für die kreativen Aktivitäten setzt. An diesem Freitag ist sie zum letzten Mal im Büro.

Wobei die Mutter zweier erwachsener Kinder Wert darauf legt, dass sie offiziell erst am 1. Februar in den Ruhestand geht. „Doch ich erlaube mir, einige meiner freien Tage dann doch noch abzufeiern.“ Nicht ohne hinzufügen: „Sollte es noch eine Frage geben, bin ich erreichbar.“

Ihr Amt ist in guten Händen

Ihr Amt, das das prägnante Kürzel KESS trägt, sieht sie allerdings bei ihrer Nachfolgerin in besten Händen: „Alexa Heyder kennt sich hervorragend aus, geht souverän mit den neuen Medien um und lebt die Kooperation zwischen Vereinen, Initiativen und Verwaltung.“ Ist doch dieses Modell in Ossowskis Augen die Basis für eine erfolgreiche Arbeit. Nicht nur in der Kultur, sondern auch im Sport. Denn für den ist die studierte Kulturwissenschaftlerin ebenso verantwortlich. So erklärt sich auch die Abkürzung KESS: Amt für Kultur, Erwachsenenbildung, Stadtmarketing und Sport.

Für Christina Ossowski hat diese Kombination nichts Widersprüchliches: „Sport und Kultur sind Freizeitbereiche und haben nichts mit gängigen Verwaltungsaufgaben wie Steuern oder Straßenbau zu tun.“

Auch die Erwachsenenbildung und das Stadtmarketing passen da hinein. Kulturelle Magneten wie die Lange Kunstnacht oder Sportereignisse sind natürlich Werbung für eine Stadt.

Daher empfiehlt die erfahrende Verwaltungsfrau, die Struktur ihres Amtes so zu belassen. Dass der neue Oberbürgermeister Martin Kaufmann einen Citymanager einstellen will, wird von ihr allerdings begrüßt. Trägt doch ein attraktiver Einzelhandel genauso entscheidend zum positiven Image einer Stadt bei.

Von Leipzig nach Leonberg

Als Christina Ossowski am 8. April 1991 im Neuen Rathaus anfängt, ist an solch ein großes Amt noch nicht zu denken. Die damals 38-Jährige hatte zuvor im Museum der Bildenden Künste in Leipzig gearbeitet, die Montagsdemos und den Zusammenbruch der DDR hautnah erlebt.

Nach der Wende findet ihr Mann eine Stelle in der Region Stuttgart, die Familie zieht um. Christina Ossowski ist mit ihrer Bewerbung in Leonberg erfolgreich. Nicht zuletzt ihre Museumserfahrung ist ausschlaggebend. Ist doch ihre erste Mission, eine Konzeption für das Bauernhausmuseum Gebersheim zu erarbeiten.

Das Schul-, Kultur- und Sportamt, wie es damals hieß, wird von einem gewissen Michael Makurath geleitet. Zwei Jahre später wird er sich als Konkurrent von Bernhard Schuler um das Amt des Oberbürgermeisters bewerben. Der Ausgang ist bekannt. Bis zum April 1999, als Makurath zum OB von Ditzingen gewählt wird, bleibt er Ossowskis Chef. Doch in ihrem Bereich hat die Kulturfrau freie Hand. Ihr Amtsleiter ist auf den Sport und die Erwachsenenbildung fixiert, Kultur ist nicht so sein Ding.

Christina Ossowski setzt erste Pflöcke ein. Noch unter Oberbürgermeister Dieter Ortlieb kauft die Stadt eine baufällige Scheune in der Altstadt, um dort ein Kulturzentrum zu errichten. Doch sein Nachfolger Bernhard Schuler sieht das Vorhaben angesichts leerer Kassen sehr kritisch.

Der Galerieverein als Erfolgsmodell

Der Galerieverein gründet sich. Der Kulturamtsleiterin gelingt es, eine funktionierende Partnerschaft zwischen Verein und der Stadt einzufädeln. In dieser Kombination ist der Galerieverein bis heute ein Erfolgsmodell und ein wichtiger Werbeträger mit überregionaler Strahlkraft.

Auch als 2003 das unter städtischer Regie betriebene Bauernhausmuseum aus Kostengründen geschlossen werden soll, entsteht ein Förderverein, der eng mit dem Kulturamt zusammenarbeitet.

Christina Ossowski wäre rundum zufrieden, wäre auch die Zukunft der Stadthalle sicher. Die Diskussion um die zentrale Kultur- und Tagungsstätte bedauert sie.

Kostendeckend sei eine Stadthalle nicht zu führen, genau wie ein Freibad oder eine Bibliothek nicht. „Dass wir im Vergleich zu allen anderen Städten unserer Größenordnung viel besser dastehen, wird von Teilen des Gemeinderats nicht angenommen.“ Ihr Rat zum Abschied: „Das Defizit wird weiter steigen, wenn man nicht eine Kehrtwende macht und einen Geschäftsführer holt, der die Halle professionell vermarktet.“