Haben Sie sich vorher in einer falschen Seligkeit gewogen?
Man hat nicht an die Langzeitfolgen gedacht – und dass viele Verletzungen erst nach 40 Jahren hochkommen. Das gilt auch für sexuelle Übergriffe, die es von außen gab. Ein so genannter Unhold, ein Medizinstudent, hat hier sein Unwesen getrieben. Er wurde auch gefasst und angeklagt – und hat sich dann durch Flucht der Strafe entzogen. Man hat sich damals nicht vorstellen können, welche Schäden die Übergriffe nachträglich bei den Kindern verursacht haben. Es gab keine Psychologen. Der Alltag musste einfach weitergehen. Die Erzieherinnen dachten, dass die Kinder das Leben bestehen, wenn man sie durch Strenge auf das Leben vorbereitet.
Was würden Sie heute anders machen?
Ich würde die Erzieherinnen und Erzieher noch offensiver in den Prozess einbeziehen. Einige haben sich dem Prozess sehr offen gestellt. Es sind aber auch Verletzungen zurückgeblieben, dergestalt wie der Direktor der Karlshöhe eine solche Nestbeschmutzung betreiben konnte.
In Ihrer Kirche hängt ein Kunstwerk, das an die Misshandlungen erinnert. Das erinnert immer wieder an das Geschehene. Warum?
Eine Herausforderung ist ja, wie die kommende Generation über unsere heutigen Methoden denkt. Denn es ist eine ständige Herausforderung, Kinder und Jugendliche mit Liebe und auch Grenzen zu stärken.
Ziehen Sie in Plochingen jetzt die Wollstrickjacke an und geben den Ruheständler?
Das mach ich auch. Ich lasse meine Anzüge im Schrank hängen und zieh lieber meine Jeans an. Das ist noch mal eine neue Lebensphase. Sowohl für die Partnerschaft und für die Tätigkeit. Ich kann mir gut vorstellen, in kleinen Gemeinden eine Vertretungstätigkeit zu übernehmen, weil ich immer gerne Pfarrer war. Ich habe auch vor, an der Geschichte der Karlshöhe weiterzuarbeiten. Und meine Frau und ich werden viel reisen.