Gerhard Strauß zieht sich aus dem Gemeinderat zurück. Seine Ratskollegen werden den streitbaren Kommunalpolitiker vermissen.

Weissach - Die Gemeinschaftsschule in Weissach expandiert. Derzeit wird sie umgebaut, erst am vergangenen Montag hat der Gemeinderat Aufträge im Wert von mehr als einer Million Euro an Handwerker gegeben.

 

Einer, der da sicherlich noch gerne mitgestimmt hätte, saß da allerdings schon im Zuschauerraum. Denn dass die 7000-Einwohner-Gemeinde überhaupt noch eine weiterführende Schule im Ort hat, das ist vor allem das Verdienst von Gerhard Strauß – ein Verdienst unter vielen anderen.

Als allerersten Tagesordnungspunkt am Montag stand allerdings „Ausscheiden aus dem Gemeinderat“ auf der Einladung. Gerhard Strauß von der Bürgerliste hatte seinen Rücktritt eingereicht, aus privaten Gründen. Einstimmig, aber ungern hatten ihn seine Ratskollegen aus dem Gremium gehen lassen.

Schicksalsgemeinschaft

„Ich verabschiede mich vom Gemeinderat, der für uns alle in der Runde zu so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft wurde“, sagte Strauß in seiner zehnminütigen Redezeit, die ihm der Bürgermeister zu seinem Abschied einberaumte. „Ich bin mir sicher, dass ich nicht immer ein einfacher Gemeinderat war.“

1984 wurde der Flachter Strauß zum ersten Mal in den Weissacher Rat gewählt. „Das war vier Jahre vor meiner Geburt“, stellte Bürgermeister Daniel Töpfer in seiner Ansprache erstaunt mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen fest. Eine beachtliche Karriere als Kommunalpolitiker habe Strauß seitdem hingelegt, lobte Töpfer den umtriebigen Arzt. „Nach Bernd Feyler muss die Bürgerliste jetzt einen weiteren, sehr intellektuell geprägten Debattierer verabschieden“, sagte Töpfer.

Aufs bloße Abnicken von Tischvorlagen, aufs kurze Nachfragen hat sich der Kommunalpolitiker nie beschränkt. Bei seiner eigenen Bürgerliste, aber auch bei den anderen Fraktionen hat das durchaus gelegentlich für heimliches Kopfschütteln gesorgt.

„Wir haben aber großen Respekt vor deiner Arbeit“, sagte etwa Adelheid Streckfuß von der Unabhängigen Liste. „Deine Erkenntnisse hast du uns in umfangreichen Mails zur Verfügung gestellt“, erinnerte sie sich. Das vor allem dann, wenn es um Themen ging, die Gerhard Strauß besonders am Herzen lagen, etwa dem geplanten Damm für den Hochwasserschutz im Strudelbachtal zwischen Flacht und Weissach.

Diplomatisch elegant, in der Sache aber scharf zugespitzt, mahnte Strauß in seiner Abschiedsrede noch einmal, auf diesen Damm zu verzichten. „So wie der Autoverkehr von Porsche in absehbarer Zeit digital gelenkt wird, so werden auch die Geschicke der Gemeinde Weissach in 100 Jahren digital gesteuert“, überlegte Strauß. Entscheidungen würden dann computergesteuert über ausgefeilte Algorithmen beste Lösungen suchen. Seine Schlussfolgerung: „Ein fünf bis sieben Meter hoher Staudamm für den Hochwasserschutz in Weissach wäre dann undenkbar.“

Kampf gegen Damm verloren

Diesen Kampf hat Gerhard Strauß wohl verloren, im November 2016 hatte der Gemeinderat bei nur vier Gegenstimmen dem Bau des Damms zugestimmt. Bei anderen Streitereien war Strauß dagegen erfolgreich. Ratskollegin Adelheid Streckfuß erinnerte in ihrer Rede zum Beispiel an die Gemeinschaftsschule. „Dein Vorschlag, Landtagsabgeordnete einzuladen, hatte damals den Stein ins Rollen gebracht“, sagte sie. Auch Andreas Pröllochs, Strauß’ Fraktionsvorsitzender der Bürgerliste, ist ihm dankbar. „Fairness, Ausgewogenheit und Menschlichkeit waren dir wichtig“, sagt er.

Und selbst Detlef Bausch, der Vorsitzende der gegnerischen Freien Wähler-Fraktion, wird Gerhard Strauß vermissen. „Leicht gemacht hast du es uns nicht. Wortmeldungen zu Themen, die dir am Herzen lagen, sind legendär.“

Marco Grafmüller, der Gerhard Strauß am Montag nachgerückt ist, wird also in große Fußstapfen treten. Und Bürgermeister Töpfer wird sicherlich Recht haben. „Ich bin mir sicher“, sagte er zum Abschied, „dass Sie auch uns ein klein wenig vermissen werden.“