Früher setzte die Bahn giftige Mittel ein, um das Unkraut entlang der Gleise zu bekämpfen. Im Abstellbahnhof Rosensteinpark gibt es deshalb Verunreinigungen, über die bisher nichts bekannt war.

Stuttgart - Das Gelände des Abstellbahnhofs im Rosensteinpark ist an einer Stelle mit dem Pflanzenschutzmittel Bromacil verunreinigt. Der den Behörden seit 2008 bekannte, aber bisher nicht öffentlich gemachte Schadensfall liegt nach Angaben des städtischen Amts für Umweltschutz innerhalb des tolerierbaren Bereichs. Allerdings werde das Grundwasser regelmäßig auf den Schadstoffgehalt überprüft. Bromacil war von der Bahn früher aus Spritzzügen heraus als Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt worden. Seine Benutzung ist seit 1990 verboten.

 

Seit einigen Monaten bereitet die Stadt Stuttgart mehrere Verfahren vor, in denen Bürger und Experten Vorschläge für das künftige Rosensteinviertel machen sollen, das auf den wegen Stuttgart 21 frei werdenden Bahnanlagen in Stuttgart entstehen soll – darunter auch das Gelände des Abstellbahnhofs am Rand des Rosensteinparks. Dort werden heute noch Züge abgestellt. Obwohl immer wieder der Verdacht geäußert wurde, dass es auf dem Areal Verunreinigungen gibt, machte die Stadt dazu bisher keine Angaben. Allerdings ist, wie nun bekannt wurde, zumindest ein Schadensfall aktenkundig.

Wie das Protokoll in die Hände der S-21-Gegner kam, ist unklar

Kurios war aber auch, wie der Fall bekannt wurde. Im Dezember fiel einem Stuttgarter im Rosensteinpark ein Messprotokoll in die Hände, das er an die Ingenieure 22 weitergab. Die S-21-kritische Gruppe, die seit Jahren bemängelt, dass beim Grundwassermanagement durch den Einsatz der blauen Stahlrohre rosthaltiges Wasser in den Untergrund geleitet werde, sah darin einen weiteren Beweis für ihre Vermutung: In dem Messprotokoll mit der Überschrift „Sanierung Abstellbahnhof Stuttgart“ war nämlich in den Rubriken Farbe und Aussehen des Wassers „trüb“ und „rötlich-braun“ notiert.

Doch um das S-21-Grundwassermanagement ging es gar nicht bei den Messungen, wie eine Nachfrage beim städtischen Amt für Umweltschutz ergab – und auch darüber, wie das Protokoll in die Hände der Ingenieure 22 gelangte, gibt es dort eine andere Darstellung. „Der Mitarbeiter der von uns beauftragten Firma hat das Protokoll nur für einige Minuten abgelegt – und dann war es plötzlich weg“, sagt Gerd Wolff, der bei der Stadt für Altlasten, Grundwasser- und Bodenschutz zuständig ist.

Die Schadensstelle wird seit 2008 überwacht

Das gefundene Messprotokoll stammt von einer seit dem Jahr 2008 überwachten Schadensstelle, die nach Angaben der Stadt „vor dem Baustart von S 21 bekannt war und in keinem Zusammenhang zum S-21-Grundwassermanagement steht“. Es handle sich um einen Altlastenfall mit dem Herbizid Bromacil, das im Abstellbahnhof von der Bahn eingesetzt worden sei. Mutmaßlich sei das Mittel durch ein Einzelereignis im Norden des Geländes, wahrscheinlich durch eine Havarie, also durch einen größeren Defekt, punktuell in den Untergrund gelangt. Wie viel Bromacil auslief, ist der Stadt und der Bahn unbekannt.

Nach Angaben von Wolff erstreckt sich der Schadstoff bis in zehn Meter Tiefe. „Zahlreiche Maßnahmen“ seien ergriffen worden, so Wolff, um die Verunreinigungen zu beseitigen. So sei Erdreich ausgebaggert, das Grundwasser über Aktivkohlefilter gereinigt und abgepumpt worden. Seitdem würden in einem Sanierungsbrunnen, aber auch aus Grundwassermessstellen und dem Leitungssystem des eigenständigen Bromacilschadens regelmäßig Proben entnommen und die Entwicklung beobachtet. Davon stamme auch das Protokoll. „Wir liegen bei den Werten innerhalb der Toleranz“, sagt Wolff. Seinen Angaben zufolge kommt die Bahn für die Kosten der Sanierung auf, deren Höhe unbekannt ist.

Die Bahn hat Bromacil seit 1990 nicht mehr eingesetzt

Bei der Deutschen Bahn kann man zur Ursache des Schadens auf dem ehemaligen Bahngelände nichts sagen. Bromacil sei seit 1990 nicht mehr eingesetzt worden, über Größe und Ausmaß der Verunreinigung auf dem Abstellbahnhof wisse man nichts, sagt ein Sprecher. Das Gelände sei wie andere durch S 21 frei werdende Flächen zur Jahrtausendwende an die Stadt Stuttgart verkauft worden. Dabei sei auch das Risiko der Altlastenbelastung und daraus resultierender Entsorgung monetär vergütet worden, soll heißen: eine bestimmte Summe ist vom Kaufpreis abgezogen worden. Genaue Angaben darüber gibt es nicht. Beim Abschluss des Kaufvertrags im Jahr 2001 ist der Schaden nach Angaben der Bahn nicht bekannt gewesen. Damals seien die Areale begutachtet worden, es habe „keine Verdachtsmomente“ gegeben.

Auch wenn es sich beim Verdacht der Ingenieure 22, das Protokoll habe mit dem S-21-Grundwassermanagement zu tun, „um einen Irrtum und um eine Fehleinschätzung handelt, aus der keinerlei Handlungsbedarf resultiert“, wie die Stadt in einer Antwort an die Gruppe formulierte, so lassen die Kritiker doch nicht locker. In mehreren Schreiben an den Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) weisen sie auf die Möglichkeit hin, dass mit Bromacil verunreinigtes Grundwasser ins S-21-Grundwassermanagement fließen und von dort, wenn es nicht gereinigt werde, in den Untergrund zurückgepumpt werden könne. Sie kritisieren, dass der seit 2008 bekannte Schadensfall in den Genehmigungs- und Prüfverfahren für Stuttgart 21 keine Rolle gespielt habe.

Die Stadt weist alle Vorwürfe zurück

Die Stadt weist diese Vorwürfe und Einschätzungen zurück. Der Schadensbereich liege außerhalb der derzeitigen Grundwasserabsenkungen für S 21. Sollte sich dies ändern, werde die Prüfung auch auf Bromacil ausgedehnt. Allerdings verfüge beispielsweise die Wasseraufbereitung am Abstellbahnhof über einen Aktivkohlefilter, der Bromacil zurückhalte. „Alles befindet sich in guter Ordnung“, teilt Hans-Wolf Zirkwitz, Leiter des Amts für Umweltschutz, den Ingenieuren 22 in einem Brief mit, den er als „abschließende Kommunikation“ bezeichnet. Hans Heydemann von den Ingenieuren 22 will sich damit nicht zufrieden geben: Die S-21-Baugruben seien nahe an diesem bisher unbekannten Schadensfall. „Ich sehe die Angelegenheit noch keineswegs als erledigt an“, sagt er.