Tübingens Oberbürgermeister ist einer der wichtigsten Stuttgart-21-Kritiker. Nun hat sich sein Gemeinderat für das Projekt ausgesprochen.

Tübingen - Die beiden Abstimmungsergebnisse nahm Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer mit großer Gelassenheit auf. "Für mich ändert sich nichts", sagte der Grüne, "als Privatmann werde ich mich genauso bei der Schlichtung in Stuttgart gegen Stuttgart 21 einsetzen wie bisher". Am späten Montagabend hat der Tübinger Gemeinderat gleich zwei Anträge der SPD-Fraktion jeweils knapp positiv beschieden. Mit Unterstützung der CDU und Gemeinderäten der Freien Wähler sprach sich das Gremium für Stuttgart 21 aus. Mit den Stimmen der Grünen wurde für einen Volksentscheid votiert. Somit blieben die Fronten zwischen den Fraktionen im Tübinger Gemeinderat nach mehr als zweistündiger lebhafter Debatte genauso unversöhnlich wie jene von Parteien in vielen anderen Parlamenten.

Ausgelöst wurde die Debatte von Tübinger Sozialdemokraten. Die SPD-Fraktion im Rathaus hatte gleich zwei Anträge gestellt, die das Bahnprojekt betreffen. Und die hatten es durchaus in sich. Zum einen wollen die Tübinger Sozialdemokraten sich für das Projekt einsetzen. Die Begründung befasst sich aber mit der Rolle des Oberbürgermeisters als einem der Wortführer der Stuttgart-21-Gegner bei den Schlichtungsverhandlungen. "Die exponierte Position von OB Palmer erweckt den Eindruck, dies sei die offizielle Position der Stadt", heißt es in dem SPD-Antrag. Hier sei eine Klärung durch Beschlussfassung des Gemeinderats notwendig.

Doch die Tübinger SPD stellte noch einen zweiten Antrag. Analog zur Landesspitze der Partei plädieren sie für eine landesweite Volksabstimmung über Stuttgart21. Es sei geboten alles zu tun, was den Streit beendet und Rechtsfrieden schafft. Im Stile gut vorbereiteter Stuttgart-21-Befürworter brachte SPD-Stadtrat Martin Sökler viele Argumente zugunsten das Bahnprojekts ins Spiel. Auch CDU-Stadtrat Ulrich Latus sah viele Vorteile des Projekts für Tübingen: Eine bessere Anbindung an den Flughafen und weitere schnelle Verbindungen nach Stuttgart.

Boris Palmer argumentierte en Detail mit bisher nie vorgestellten Plänen, die belegen sollen, dass sich für Tübingen durch Stuttgart 21 keine Verbesserungen ergeben. Das viel zu enge Fahrplankonzept funktioniere allenfalls, wenn die Züge zu hundert Prozent pünktlich rollen würden. "Die DB funktioniert aber nie absolut pünktlich", rief er aus. Sein Fazit: "Wir müssen Stuttgart 21 nicht wegen der Verbesserungen machen, sondern wegen der Verschlechterungen bleiben lassen".

Helga Vogel (AL/Grüne) brachte ein anderes Argument: "Wir sind mangels Informationen nicht entscheidungsfähig". Sie sah es darüber hinaus gar nicht als geboten an, über das Bahnprojekt zu befinden, sondern sprach von einem "Anti-Palmer-Scharmützel" seitens der SPD. Verfangen haben die Argumente auf beiden Seiten nicht. Nachdem zunächst ein Antrag auf Nichtbefassung abgelehnt wurde, kam es zur Abstimmung über die SPD-Anträge.