Jede Fraktion hat Anspruch auf einen Vizepräsidenten. Der Posten der AfD ist vakant, seit der erste Bewerber durchfiel. Jetzt hat die Partei eine neue Kandidatin aufgestellt. Wird sie gewählt?

Berlin - Ein Jahr lang hat die AfD nach ihrer ersten parlamentarischen Niederlage gewartet, jetzt will die Partei das Amt des Vizebundestagspräsidenten doch besetzen: an diesem Donnerstag stellt sich die hessische Abgeordnete Mariana Harder-Kühnel als Kandidatin zur Wahl. Sie war Anfang November von ihrer Partei nominiert worden. Knapp ein Jahr zuvor war der erste Kandidat für diesen Posten, Albrecht Glaser, in drei Wahlgängen durchgefallen. Danach hatte die AfD das Thema nicht wieder auf die Tagesordnung gesetzt und den Posten vakant gelassen.

 

Die Frage, ob sich daran jetzt etwas ändert, bleibt spannend: die Abstimmung ist geheim, es könnte knapp werden für Harder-Kühnel. Zwar bestreitet grundsätzlich keine Fraktion das demokratische Recht der AfD auf einen Posten. Allerdings argumentierten die Parlamentarier bereits bei der Wahl Glasers, dass sie ihre Zustimmung vom einzelnen Kandidaten und dessen Position abhängig machten. In Glasers Fall begründeten die Gegner ihre Ablehnung damit, dass dieser das Grundrecht der Religionsfreiheit für den Islam nicht akzeptiere, weil er diesen als Ideologie betrachte.

Auch die PDS scheiterte einst

Im Fall Harder-Kühnels haben die Abgeordneten über eine Kandidatin zu entscheiden, die sich selbst als „AfD pur“ bezeichnet, keinem Flügel zugerechnet werden möchte. Die Juristin ist im Parlament zum Thema Familienpolitik aktiv. Bei einer Vorstellung Anfang November sagte Harder-Kühnel zum Thema Religionsfreiheit, diese müsse „dem privaten Gläubigen“ zustehen. Sie forderte eine strikte Unterscheidung zwischen politischem Islam und einzelnen Gläubigen.

Auf viele Stimmen aus der SPD-Fraktion und der Linksfraktion und vermutlich auch der Grünen kann Harder-Kühnel nicht zählen. Für die Sozialdemokraten hatte deren Parlamentarischer Geschäftsführer Carsten Schneider angekündigt, dass die Fraktion keinem Kandidaten zustimmen werde, der sich nicht vom Rechtsextremismus distanziere. Schneider verwies auf die Demonstration von Chemnitz, bei der Spitzenvertreter der AfD mit Rechtsextremisten auf die Straße gegangen waren. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, hatte auch erklärt, er könne sich nicht vorstellen, dass die Kandidatin von seinen Kolleginnen und Kollegen gewählt werden. Eine Empfehlung gibt es nicht, ebensowenig wie bei den Grünen, der Union und der FDP.

Dass ein Kandidat nicht gewählt wird, ist nichts Neues. Vor 13 Jahren lehnte das Parlament den Kandidaten der PDS, Parteichef Lothar Bisky, ab. Die Linkspartei wartete seinerzeit nicht ein Jahr, sondern stellte am darauffolgenden Sitzungstag mit Petra Pau eine neue Kandidatin auf, welche dann gewählt wurde.