In Dublin jubeln, singen und tanzen Hunderte auf den Straßen, denn nach Jahrzehnten wird bald das strenge Abtreibungsrecht gelockert. Möglich macht es eine Volksabstimmung, die ein überraschend klares Ergebnis brachte

Dublin - In einer historischen Volksabstimmung haben sich die Iren überraschend klar mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit dafür ausgesprochen, ihre seit Jahrzehnten geltenden strengen Abtreibungsregeln zu lockern. Nach Auszählung aller Wahlkreise in dem katholisch geprägten Land votierten zwei Drittel für die notwendige Verfassungsänderung und nur ein Drittel dagegen. Ministerpräsident Leo Varadkar begrüßte am Samstag das eindeutige Ergebnis. Er sprach von „einer stillen Revolution“, die sich in den vergangenen 10 bis 20 Jahren in Irland Bahn gebrochen habe.

 

Abgestimmt wurde über die Streichung eines Verfassungszusatzes von 1983, der Schwangerschaftsabbrüche bislang faktisch unmöglich macht. Wer dagegen verstößt, kann mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft werden. Selbst nach einer Vergewaltigung, Inzest oder bei einem kranken Fötus ist in Irland ein Schwangerschaftsabbruch untersagt. Tausende irischer Frauen reisen jährlich nach Großbritannien und in andere Länder, um Abtreibungen vornehmen zu lassen.

Erbitterte Debatten im Vorfeld der Abstimmung

Nach dem Willen der Regierung soll nun bis Jahresende das Parlament Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche legalisieren. Das Referendum hatte bereits am Freitag stattgefunden, ausgezählt wurde am Samstag. Im Vorfeld hatte es eine erbitterte Debatte gegeben.

In der Innenstadt von Dublin versammelten sich Tausende Menschen, um das Ergebnis zu feiern; vielerorts wurde getanzt und gesungen. Regierungschef Varadkar sagte dem TV-Sender RTE, die Bürger hätten deutlich gemacht, „dass sie eine moderne Verfassung für ein modernes Land wollen“. Die Abstimmung zeige überdies, dass die Menschen in Irland den betroffenen Frauen trauen und sie in ihrer Entscheidungsfreiheit respektieren.

Gegner räumen ihre Niederlage ein

Die Gegener einer Gesetzeslockerung räumten ihre Niederlage ein. Als eine „Tragödie historischen Ausmaßes“ bezeichnete die Gruppe mit dem Namen Save the 8th das Ergebnis des Referendums. „Unrecht wird nicht deshalb zu Recht, nur weil eine Mehrheit es unterstützt“, teilte die Gruppe mit. Man werde jegliche Gesetze ablehnen, die zuließen, „dass Babys in unserem Land getötet werden“. Cora Sherlock von der Gruppe Love Both sagte: „Ich denke, es ist ein sehr trauriger Tag für Irland.“

Der UN-Menschenrechtsausschuss hatte das Abtreibungsverbot 2016 als Verstoß gegen internationale Menschenrechtsvereinbarungen kritisiert und die irische Regierung aufgefordert, es zu überarbeiten.

Die Grünen-Europapolitikerin Terry Reintke würdigte den Ausgang des Referendums als „Meilenstein für die körperliche und sexuelle Selbstbestimmung“, die in weiten Teilen Europas unter Beschuss stehe. „Wir müssen klar machen: Es geht um Grundrechte und um die Grundwerte der Europäischen Union“, meinte Reintke.