Internationale Fluggesellschaften setzen die Flüge nach Scharm el Scheich aus. London hat Hinweise, dass der Grund für den Absturz auf dem Sinai eine Bombe war.

Kairo - Im Rückblick waren sich viele Flugreisende einig. „Scharm el Scheich ist das schlimmste Chaos, was ich bisher gesehen habe“, urteilte eine ehemalige Stewardess, die privat zum Badeurlaub hier war. Mal streikte ein Transportband für die Koffer, so dass sich die abgefertigten Gepäckstücke vor den Abflugschaltern türmten. Frühmorgens um vier oder fünf Uhr, als auch die russische Unglücksmaschine abgefertigt wurde, mussten Touristen ägyptische Sicherheitsleute schon mal aus dem Schlaf wecken, damit die das Handgepäck kontrollierten. Oder die Feriengäste beobachteten Uniformierte hinter den Scannerschirmen, die seelenruhig in Handygespräche vertieft waren. Schlecht bezahlt, schlecht motiviert, die Leute seien vor allem daran interessiert, von den Touristen ein Trinkgeld zu ergattern, sagten andere.

 

„Kontrollen sehr lax“, twitterte ein Brite, der kurz vor dem Unglücksflug von Scharm el Scheich nach Hause flog. Er habe seinen Koffer selbst zum Frachtraum des Flugzeugs tragen müssen, weil kein Bodenpersonal vorhanden war. Als „unzureichend“ qualifizieren Sicherheitsexperten des amerikanischen Think Tanks Stratfor die Kontrollen auf dem Ferienflughafen am Roten Meer. Am späten Mittwochabend erreichte die Urlauber in den Ferienresorts auf dem Sinai der spektakuläre Alarmruf des britischen Außenministers. Eine Bombe an Bord des verunglückten russischen Ferienfliegers sei eine „signifikante Wahrscheinlichkeit“, sagte Philip Hammond nach einer Sitzung von Cobra, dem nationalen Krisengremium, bei dem Premierminister David Cameron den Vorsitz hat. Cameron erklärte am Donnerstag, ein Anschlag sei wahrscheinlicher, „als dass es keiner war“. Auch Geheimdienstler aus den USA Staaten nannten gegenüber dem Sender CBS eine Bombe an Bord „höchst wahrscheinlich“. Er habe „ein eindeutiges Gefühl, dass es ein Sprengkörper war, der im Gepäck oder anderswo im Flugzeug versteckt wurde“, zitierte CNN einen Vertreter der US-Regierung, ohne seinen Namen zu nennen. Die Experten berufen sich unter anderem auf abgehörte Telefonate.

US-Satellit soll Explosionsblitz aufgezeichnet haben

Ein US-Aufklärungssatellit hatte zum Zeitpunkt des Unglücks einen Explosionsblitz aufgezeichnet. Der Flugschreiber wurde inzwischen ausgelesen, der Stimmenrekorder im Cockpit ist dagegen stark beschädigt. Bisher drang aus der Unfallkommission, der Experten aus Ägypten, Russland, Frankreich, Deutschland und Irland angehören, lediglich nach draußen, dass die aufgezeichneten Flugdaten schlagartig abbrechen und auf dem Band in den Sekundenbruchteilen des Absturzes ein „ungewöhnliches Geräusch“ zu hören sei. Ägypten und Russland reagierten auf die britischen Bombenwarnungen überrascht und verärgert. Das seien Spekulationen, ließ der Kreml erklären, und nannte das Vorgehen Londons „politisch motiviert“.

Ägyptens Außenminister Sameh Shoukry geißelte die Schlussfolgerungen als „voreilig und ungerechtfertigt“ und kritisierte, sein Land sei vorab nicht konsultiert worden. Der Luftfahrtminister Hossam Kamal versicherte in Kairo, es gebe bisher keine Beweise für einen Terroranschlag. Die Sicherheitsprozeduren auf den ägyptischen Flughäfen entsprächen internationalem Standard. Den Verdacht, Ägypten könne bei Metroflug 9268 etwas vertuschen, wies er von sich. Man lege entschiedenen Wert darauf, dass die Untersuchung akkurat und integer verlaufe. Alle Fakten würden offengelegt, um die Sicherheit der globalen Luftfahrt zu garantieren.

In London Proteste gegen Ägyptens Präsidenten

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sissi begann derweil – überschattet von den Sinai-Hiobsbotschaften – einen dreitägigen Staatsbesuch in England, der auf der britischen Insel politisch umstritten ist. 250 Demonstranten protestierten in London gegen den Besuch: „Al-Sissi ist nicht willkommen, Nein zur Unterdrückung in Ägypten“, hieß es auf Protestplakaten.

Bereits am Donnerstag schickten London und Moskau eigene Sicherheitsteams nach Scharm el Scheich, eine unverhohlene Misstrauensgeste gegenüber der ägyptischen Seite. Stunden später war der ägyptische Sicherheitschef des Unglücksfughafens wegen Nachlässigkeit entlassen. Denn sollte sich eine Terrorexplosion an Bord des russischen Airbus A-321 der Chartergesellschaft Kogalymavia bewahrheiten, muss es auf dem Rollfeld einen Mittäter gegeben haben. Und die Terrormiliz IS konnte einen Schläfer in das Bodenpersonal einschmuggeln, der den Sprengsatz in einem der aufgegebenen Koffer deponierte oder im Laderaum versteckte.

Nach anderen internationalen Airlines haben auch deutsche Unternehmen ihre Flüge nach Scharm el Scheich eingestellt. Nach Angaben des Deutschen Reiseverbands (DRV) befinden sich derzeit 2000 deutsche Gäste in Scharm el Scheich und im nahe gelegenen Dahab. Die Zahl der festsitzenden Briten ist wesentlich höher, von 9000 bis 20 000 ist die Rede. Wie die Lufthansa am Donnerstag mitteilte, betrifft der Flugstopp insgesamt zwei geplante Flüge der Gesellschaften Eurowings ab Köln/Bonn und Edelweiss ab Zürich nach Scharm el Scheich. Kairo werde weiterhin angeflogen, teilte Lufthansa mit.