Die Grünen steuern in den jüngsten Umfragen geradewegs auf die Fünf-Prozent-Grenze zu. Das hat mit dem Hype um den SPD-Vorsitzenden Schulz zu tun, aber auch viel mit den Grünen selber, meint Bärbel Krauß.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - So schnell kann’s gehen: In Nordrhein-Westfalen warnt die grüne Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann jetzt schon davor, dass ihre Partei, die mit einer kurzen Unterbrechung seit zwei Jahrzehnten am Düsseldorfer Kabinettstisch sitzt, aus dem Landtag fliegen könnte. Und das ist angesichts der Umfragen keine Schwarzmalerei. Dass die Grünen im bevölkerungsreichsten Bundesland nun den Wahlkampfturbo zünden und eine Zweitstimmenkampagne vor allem gegen die Liberalen anzetteln, hat zwei Ursachen: Es ist erstens der gefährlichen Nähe zur Fünfprozenthürde geschuldet – und zweitens der Tatsache, dass der Kanzlerinnen-Herausforderer Martin Schulz nach der verlorenen Landtagswahl im Saarland das Liebäugeln mit einer rot-rot-grünen Regierungsoption eingestellt und stattdessen eine Ampel von SPD, FDP und Grünen ins Gespräch gebracht hat.

 

Dieser Teil der nordrhein-westfälischen Wahlkampfstrategie ist einer nüchternen Analyse der Wahlchancen kurz vor dem Endspurt geschuldet. Der Rest aber zeugt von Panik, die nicht nur die Grünen an Rhein und Ruhr erfasst hat, sondern auch die Bundespartei. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Meinungsforscher, die die Fünfprozentpanik am Rhein ausgelöst haben, ihre Ergebnisse später um einen Prozentpunkt nach oben korrigiert haben. Auch dass die Grünen im Bund jetzt zumindest laut Forsa wieder einen Punkt zulegen, ist kein Signal der Entwarnung. Denn selbst wenn Umfragen keine Prognosen für Wahlausgänge hergeben: Die aktuell sieben Prozent bei der Sonntagsfrage im Bund sind immer noch zu nahe an der Fünfprozent-Gefahrenzone, als dass irgendein Vertreter der Ökopartei sich entspannt zurücklehnen könnte.

Schlechter Start ins Wahljahr

Die Grünen sind nicht gut ins Wahljahr gestartet. Das per Basisvotum gekürte Spitzenduo aus Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt hat es bisher nicht verstanden, sich interessant zu machen, bei breiten Wählerschichten Hoffnung zu wecken und Dynamik für die grüne Sache zu erzeugen. Und der Schulz-Hype bei der SPD mag seine Spitze bereits hinter sich haben – aber den Grünen hat der SPD-Hoffnungsträger die Butter vom Brot genommen.

Woran die grüne Misere liegt, ist nicht so einfach auszumachen. Noch am einfachsten ist die Erklärung, dass ein Intellektueller wie der Kieler Umweltminister Robert Habeck in der Konkurrenz zu Schulz zunächst mehr politischen Appeal und mehr Frische hätte ausstrahlen können, als der bekannte – und nach wie vor ziemlich populäre – Cem Özdemir es derzeit vermag. Aber es gibt größere Probleme, die der Ökopartei zu schaffen machen. Ein Beispiel: Die Politik, die die Grünen seit vielen Jahren erfolgreich vertreten, wenn sie sich für Frauen, Schwule, Lesben, Flüchtlinge oder Ausländer einsetzen, hat derzeit keine gute Konjunktur. Die Mehrheit der Deutschen ist der Ansicht, dass jetzt sie wieder an der Reihe ist.

Schicksal der FDP droht

Die Grünen schaffen es nicht, einer breiteren Klientel das Gefühl zu geben, dass ihre Interessen bei ihnen in guten Händen sind und ihre klassische Antidiskriminierungspolitik auch der Mehrheit dient. Das gilt ebenso für die Ökothemen, bei denen es nach der Wahl um wichtige Weichenstellungen geht: umweltfreundliche Verkehrspolitik, Kohleausstieg und Klimaschutz. Gerade weil die Grünen mittlerweile an so vielen Regierungen beteiligt sind, sind sie in ihrem Wirkungspotenzial entzaubert. Sie schaffen es nicht, jenseits schmelzender Eisberge in der Arktis zu begründen, warum es auf ihre Regierungsbeteiligung ankommt. Bisher treffen sie den Ton nicht, der über ihre absolute Kernklientel hinaus überzeugt. In den nächsten Monaten müssen sie eine Wende schaffen. Sonst ist nicht einmal ausgeschlossen, dass sie am Ende das Schicksal der FDP von 2013 teilen und aus dem Bundestag fliegen.