Accelerate Stuttgart, der erste private Start-up-Dienstleister in der Landeshauptstadt, gibt seine Selbstständigkeit auf. Mit dem Kauf durch die Münchner Firma Etventure richtet man sich noch stärker auf die Interessen etablierter Firmen aus.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Die Firma Etventure wird Mehrheitseigner von Accelerate Stuttgart. Das 2010 in München gegründete Unternehmen ist einer der wichtigsten deutschen Dienstleister, der bestehende Firmen mit Start-ups und deren Denkweise verbindet - auch an internationalen Standorten von London bis Sidney. Accelerate Stuttgart ist einer der Pioniere der Stuttgarter Start-up-Kultur.

 

Der Name und das Team von Acclerate Stuttgart bleiben erhalten. Der bisherige Geschäftsführer Johannes Ellenberg behält diese Position und wird parallel bei Etventure für den Bereich Baden-Württemberg zuständig. Dies ist nicht wegen der Zahl der betroffenen Arbeitsplätze bedeutsam – bei Accelerate Stuttgart sind es nur fünf – sondern wegen der Signalwirkung für den Start-up-Standort: Er wird zunehmend kommerzieller und stärker auf die Interessen der etablierten Firmen in der Region ausgerichtet.

„Gratulation es ist gut, dass das Team weitermacht“, sagt Kai Blisch für den Verein Startup Stuttgart:„Accelerate Stuttgart hat eine große Außenwahrnehmung und hat für die Region und alle Start-ups viel getan. Wir hoffen, dass das so bleibt.“ Rundum positiv bewertet Ines Aufrecht, Leiterin der Wirtschaftsförderung Stuttgart die Verschmelzung mit Etventure: „Dies ist ein Unternehmen, das auch eine große internationale Präsenz hat und im Bereich der Digitalisierung sehr stark ist – was für uns in Stuttgart eine gute Ergänzung ist.“

Ökonomischer Nutzwert

Auch wenn nach den Worten Ellenbergs das 2012 gegründete Accelerate Stuttgart seine bisheriges Angebot aus Start-up-Betreuung, Events und Dienstleistungen sowie Veranstaltungs- und Büroräumen in den 2015 bezogenen Accelerate Spaces fortführen wird, ist damit eine Akzentverschiebung verbunden. Etventure betreibt sein Geschäft nicht als Service für Start-ups, sondern definiert die Programme von den Interessen der zahlenden Unternehmen aus. Das Ziel ist ein klarer ökonomischer Nutzwert für die beteiligten, etablierten Firmen. In Stuttgart ist Etventure bereits an der Digitaltochter des Versicherungs- und Bausparkonzerns W&W beteiligt und arbeitet mit Daimler Financial Services zusammen. Die Übernahme von Accelerate Stuttgart ist Teil der Expansionsstrategie am starken Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg. Weitere Kunden in Deutschland sind die Bonnier Medien-Gruppe, die Deutsche Bahn, Franz Haniel & Cie., Viessmann und der Stahlhändler Klöckner.

Auch wenn Details bisher nicht feststehen, dürfte das bisherige Rückgrat von Accelerate Stuttgart, das sechsmonatige, so genannte Acceleratoren-Programm, dessen erste fünf Absolventen es im April abgeschlossen haben, wohl einige Änderungen erfahren. In solchen Programmen werden nach straffem Zeitplan Gründerideen marktreif gemacht. „Eine Lernerfahrung, die wir gemacht haben, ist die Tatsache, dass man die Programme etwa von der Zeitdauer her, sehr individuell an die Bedürfnisse der Firmen anpassen muss“, sagt Geschäftsführer Ellenberg. Man hat sich nicht immer leicht getan, hierfür etablierte Firmen als Partner zu gewinnen.

Neue Akzente für die Kooperation mit Etablierten

Das liege weniger am Geld, weil es nie um hohe Beträge gegangen sei, sagt Ellenberg: „Das liegt vielmehr oft schon daran, dass es schwierig ist, Mitarbeitern die entsprechende Zeit für eine Teilnahme an dem Programm zu geben“. Auch die Dauer der Entscheidungsprozesse bis zur Vereinbarung einer Patenschaft sei für ein junges, selbst finanziertes Unternehmen wie Accelerate Stuttgart oft sehr lang gewesen. So musste beispielsweise der Start des eigentlich für Mai geplanten Unterstützungs-Programms für Start-ups aus dem Bereich der Finanztechnologie, kurzfristig auf den Herbst verschoben werden. Start-ups die sich an konkrete Geschäftskunden in der Region richten oder technologische Themen bearbeiten, dürften in dem Programm bessere Karten haben. Auf Dienstleistungen und Konsumenten ausgerichtete Start-ups könnten eher abnehmen.

Etventure hat eine ähnliche Strategie

Die Kultur von Accelerate Stuttgart und Etventure passe perfekt. Auch wenn der neue Mehrheitseigentümer inzwischen 200 Mitarbeiter an deutschen und internationalen Standorten habe, sei der Start-up-Geist dort vollkommen in Takt, sagt Ellenberg. Der Partner Etventure eröffnet neue Möglichkeiten. So soll die Veranstaltungsreihe Corporate Startup Meetup, bei dem Gründer mit Vertretern etablierter Firmen zusammenkommen, ausgebaut werden.