Der Vorstand der IG Metall beschließt: Acht Prozent mehr Geld sollen in der Tarifrunde durchgesetzt werden. Die höchste Lohnforderung seit 14 Jahren kann den Druck von der Basis aber kaum eindämmen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Nicht ohne Häme stellt der Arbeitgeberverband Gesamtmetall via Kurznachrichtendienst Twitter einen auffälligen Widerspruch beim Tarifgegner fest: Noch im Januar hatte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann im Interview auf die „explodierenden Gewinne vieler Konzerne“ verwiesen und festgestellt: „Es gibt viele kleinere und mittlere Betriebe, bei denen es in Folge der Coronakrise weiter bescheiden aussieht.“ Nun hat der Gewerkschaftsvorstand erwartungsgemäß zur Tarifrunde beschlossen, dass die Entgelte für gut 3,8 Millionen Beschäftigte um acht Prozent steigen sollen – die höchste Lohnforderung seit 2008.

 

Die IG Metall „verharrt in einer Fantasiewelt“, schimpft einmal mehr Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf. Sich von den 26 000 Unternehmen in der Metall- und Elektro-Industrie an den vielleicht 100, denen es trotz allem noch gut gehe, zu orientieren, „ist verantwortungslos, gerade wenn man Interesse an einem Flächentarif hat“.

VDMA verlangt Beschränkung auf Einmalzahlungen

Mit ähnlich scharfer Kritik lässt sich der Maschinenbauverband VDMA vernehmen: Die Unternehmen hätten mit „exorbitant gestiegenen Beschaffungs- und Produktionskosten zu kämpfen, die sie nicht an ihre Kunden weiterreichen können“, betont VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. Die Forderung der IG Metall blende diese Wirklichkeit aus. Sie wecke nur Erwartungen, die sich beim besten Willen nicht erfüllen ließen. Zwar laste auch auf den Beschäftigten die Inflation. „Die Antwort darauf sind aus unserer Sicht aber nicht dauerhaft wirksame Lohnerhöhungen, sondern Einmalzahlungen“, so Brodtmann. „Sie sollten der unterschiedlichen Lage der Unternehmen entsprechend variabel ausgestaltet werden.“

Nun ist seit dem Hofmann-Zitat vom Januar viel passiert: Insbesondere ist die Preissteigerungsrate bis Juni auf 7,6 Prozent geklettert. „Die Beschäftigten brauchen Entlastungen, auch mit Blick auf ihre 2023 nochmals steigenden Rechnungen“, mahnt der Vorsitzende. Die Konjunktur brauche den stabilen Konsum. „Die Arbeitgeber müssen dafür ihren gerechten Beitrag leisten.“

Die Inflation setzt die IG-Metall-Vordenker in einem so lange nicht mehr erlebten Maße unter Druck. An der Basis gibt es nicht wenige, die selbst mit den acht Prozent noch unzufrieden sind. Die Enttäuschung in den Betrieben über den Beschluss sei groß, „wurden dort doch meistens wesentlich höhere Forderungen zwischen zehn und 15 Prozent diskutiert und beschlossen – insbesondere in den großen Konzernen wie Daimler, Porsche & Co.“, heißt es vom Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften, das sich als Zusammenschluss linker Gewerkschafter in der Region Stuttgart versteht.

Gewerkschaftslinken verlangen „mindestens 350 bis 400 Euro“ mehr

Tatsächlich hatten die Metaller bei Mercedes in Untertürkheim elf Prozent und bei Porsche in Zuffenhausen 10,5 Prozent gefordert. Die Gewerkschaftslinken halten eher zwölf Prozent des Facharbeiterecklohns für die gewünschte Größenordnung – als Festgeld. „Mindestens 350 bis 400 Euro“ seien notwendig sind, um Einbußen durch die Inflation zu minimieren. Derlei Stimmungsmache einzufangen, dürfte nun eine Hauptaufgabe der Gewerkschaftsführung sein.