Der gelbe Gigant sieht sich mit herber Kritik konfrontiert. Doch auf der Hauptversammlung in Saabrücken an diesem Wochenende wird es wohl keine große Reform geben. Zu mächtig sind die Einzelinteressen.

Saarbrücken – Das Projekt „Reform für Vertrauen“ läuft an. Mit diesem Motto geht der ADAC am heutigen Freitag in Saarbrücken in eine Hauptversammlung, wie es sie so in der 111-jährigen Geschichte des mitgliederstärksten Clubs der Republik noch nicht gegeben hat. Lagen die Vertrauenswerte der Autofahrerlobby Anfang des Jahres noch über denen von Organisationen wie dem Roten Kreuz, haben die nachgewiesenen Manipulationen beim ADAC-Autopreis „Gelber Engel“ einen Sturzflug ausgelöst. „Wir wurden nach unten durchgereicht“, lautet die Erkenntnis in der Münchner Clubzentrale, einem 92 Meter hohen und jüngst für 300 Millionen Euro errichteten Monstrum aus Glas und Beton, das einem Dax-Konzern zur Ehre gereichen würde.

 

Mit der Hauptversammlung soll sich das wieder ändern. Dort sollen erste Weichen für eine ADAC-Reform an Haupt und Gliedern gestellt werden, um verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Große Erwartungen an konkrete Reformschritte sollte man an die Veranstaltung aber besser nicht haben. „Im ADAC ist ein immenser Reformwille vorhanden“, beteuerte Übergangschef August Markl jetzt noch einmal in einem Interview mit der „Zeit“. Sichtbar geworden ist der aber bisher kaum. Wer vor der Versammlung Gespräche mit ADAC-Granden führen konnte, spürt: es wird auch in Saarbrücken bei Willensbekundungen bleiben.

Altmännerverein: Frauen haben nichts zu melden.

Dabei zeigt die heutige Veranstaltung eigentlich ein gutes Bild des ADACs der Gegenwart. Was Hauptversammlung heißt, ist nur ein Delegiertentreffen: Der Club mag 19 Millionen Mitglieder haben – zu ihrer Hauptversammlung sind sie nicht eingeladen. Sie dürfen nicht einmal kommen. Ihre Interessen werden theoretisch von 192 Delegierten vertreten, entsandt von den ADAC-Regionalclubs. Die Delegierten treffen sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit, um alles vorzubesprechen. Am Samstag, im öffentlichen Teil, dem auch Journalisten beiwohnen dürfen, ist dann alles klar. Man hat sich intern geeinigt. Das öffentliche Konfliktpotenzial ist gleich null, Widerspruch einzelner Mitglieder mangels Anwesenheit ausgeschlossen. Mit der Binnendemokratie ist das halt so eine Sache. 40 Prozent der 19 Millionen Mitglieder sind Frauen. Der Regionalclub Südbayern, dem Markl vorsteht, mit 1,8 Millionen Mitgliedern drittgrößter in Deutschland, hat es mit Müh und Not geschafft, eine einzige Frau als Delegierte nach Saarbrücken zu schicken. Anderswo in Deutschland sieht es beim Altmännerverein nicht viel besser aus. Die Behauptung, das Mitglied stehe beim ADAC im Mittelpunkt, hält einer realistischen Betrachtung kaum stand. Auch anderswo ist kaum Bewegung erkennbar: etwa bei der Schaffung eines ADAC-internen Aufsichtsgremiums, das diesen Namen auch verdient. Bislang kontrolliert sich die Spitze selbst, worin viele Kritiker den Grund der jüngsten Skandale sehen. Von denen geb es einige: die Freiflüge von ADAC-Präsidialen mit Rettungshubschraubern, eine Dienstvilla für einen Funktionär oder den Umstand, dass hochrangige Ehrenamtliche reihenweise im Hauptberuf Rechtsanwalt sind und als ADAC-Vertragsanwälte geschäftlich vom riesigen Mitgliederpool des Clubs profitieren können.

Kritiker fordern die Trennung von Verein und Kommerz

Zumindest im letzten Punkt ist das Problembewusstsein an der ADAC-Spitze bestenfalls überschaubar. Markl will vom Vorwurf der Vetternwirtschaft nichts hören. Das gilt auch für eine fehlende Trennung von Verein und wirtschaftlichen Aktivitäten. Über die Jahre ist der Club zu einem verdeckten Wirtschaftsriesen mit jeweils rund einer Milliarde Euro Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge sowie durch den Umsatz von Wirtschaftstöchtern geworden. Die verkaufen Policen aller Art oder Reisen. Der ADAC ist in den Fernbusmarkt eingestiegen und plant eine Werkstattkette. Verein und Kommerz seien schon heute klar getrennt, entgegnet Markl Kritikern. Allenfalls müsse sie noch deutlicher werden. Anderes bagatellisiert der Club als Einzelfälle. Bei der Pannenhilfe etwa würden die eigenen Mitglieder nicht systematisch gegenüber Kunden von Autoherstellern benachteiligt, wie es Insider behaupten. Der ADAC betreibt für große Teile der Autoindustrie hierzulande als kommerzieller Dienstleister Pannenhilfe. Im Zweifel komme diese bezahlende Kundschaft vor ADAC-Vereinsmitgliedern, lautet der Vorwurf. Beide Gruppen müssten im Schnitt 45 Minuten warten, bis ein gelber Engel kommt, beteuert man dagegen in München.

Jetzt könnte sogar der Vereinsstatus wackeln

Seit Jahresanfang haben die Skandale den ADAC 290  000 Mitglieder gekostet. Aber noch mehr Autofahrer sind neu eingetreten. Das senkt den Reformdruck erst einmal. Jürgen Heraeus empfiehlt dem Club allerdings dringend, es mit der angekündigten Reform ernst zu nehmen. Der Chef von Unicef-Deutschland ist zugleich Sprecher eines neuen Beirats, der den ADAC bei seiner Reform für Vertrauen begleitet. Er erwartet bis Ende 2014 sichtbare Ergebnisse der Reform.

Es gebe eine Reihe von Schwächen und Defiziten, die teilweise das Grundverständnis des Clubs berühren, konstatiert Heraeus. So müsse viel klarer zwischen Vereins- und Wirtschaftsinteressen getrennt werden, andernfalls sei der Vereinsstatus in Gefahr. Diesen Status, der einen Steuervorteil bringt, überprüft derzeit das Amtsgericht München. Sollte die Wirtschaftsmacht ADAC ihren Vereinsstatus verlieren, wäre das schmerzlich, aber finanziell nicht fatal. Der Club sitzt auf einem Milliardenvermögen.