Reimund Elbe vom ADAC Württemberg stellt fest, dass Autofahrer oft zu schnell unterwegs sind und zu viel überholen.

Stuttgart - immer wieder kommt es in jüngster Zeit auf der B 464 zwischen Renningen und Sindelfingen zu gefährlichen Unfällen. Allein in diesem Winter sind dort vier Menschen gestorben. Um die Fahrer zur Vernunft zu bringen, braucht es ein ganzes Bündel von Maßnahmen, sagt Reimund Elbe. Er ist der Pressesprecher beim ADAC Württemberg in Stuttgart.

 

Herr Elbe, viel wird über Unfälle auf Autobahnen geredet. Aber wie gefährlich sind im Vergleich dazu Landstraßen?

Die Landstraße ist der Straßentyp, auf dem die meisten schweren Unfälle passieren. Nahezu 60 Prozent der Verkehrstoten in Deutschland kommen außerorts auf Landstraßen ums Leben. Wir wissen dies auch aus unserer eigenen Unfallforschung, denn immer, wenn einer unserer ADAC-Rettungshubschrauber einen Unfall anfliegt, macht ein Besatzungsmitglied Fotos aus der Höhe, die wir anschließend analysieren. Das sind für uns wichtige Informationen.

Was ist das Problem bei der Landstraße?

Es trifft dort eine ganze Gemengelage von Problemen zusammen. Landstraßen verzeihen nur selten Fehler, weil sie oft schmal sind. Rechts kommt sofort das Bankett, links der Gegenverkehr. Es gibt pro Jahr allein 600 Todesopfer im Straßenverkehr, die gegen einen Baum fahren. Es wird auch oft zu schnell gefahren und zu viel überholt.

Müsste man das Überholen mehr einschränken?

Es gilt bei vielen Landstraßen schon ein Überholverbot. Was man aber noch klarer darstellen muss, ist, wie gefährlich Überholen auf der Landstraße ist. Der kleinste Fehler kann extrem bestraft werden. Die Kollegen unserer Unfallforschung haben ausgerechnet, dass man beim Überholen mindestens 700 Meter Sichtweite haben muss – das entspricht 14 Leitpfosten an der Landstraße. Diese Bedingungen sind an sehr vielen Strecken in unserem Landstraßennetz gar nicht zu erreichen. Unsere Zahlen zeigen auch, dass man durch Überholen kaum Zeit einspart – allerhöchstens zehn Prozent. Bei 20 Kilometern sind das nur etwa eineinhalb Minuten.

Welche Rolle spielen Handys?

Das Thema Ablenkung spielt eine immer größere Rolle. Es geht da nicht nur ums Handy. Es reicht schon, wenn Sie sich kurz umdrehen oder wegschauen. Fahrer kommen zum Beispiel rechts aufs Bankett, lenken zu scharf nach links ein und landen im Gegenverkehr.

Was kann man tun?

Ein guter Vorschlag sind außerörtliche Straßen, die phasenweise dreispurig werden. Es gibt dort somit immer wieder einen Überholstreifen. Man signalisiert den Autofahrern also: Überholen ist zwar verboten – aber dafür kommt zwei Kilometer später eine Stelle, wo Ihr sicher überholen könnt.

Das Landratsamt Böblingen hat an der B 464 jetzt Schilder aufgestellt, auf denen ein heulendes Kind zu sehen ist und die Aufschrift „Runter vom Gas!“. Ist das nicht eine weitere Ablenkung?

Nein, das ist ein richtiger Schritt. In vielen Köpfen ist nicht drin, dass Tempo 100 gilt, und zwar nicht als Mindest-, sondern als Höchstgeschwindigkeit – und das auch nur bei idealen Wetterverhältnissen. Auf den Fildern, zwischen Wolfschlugen und Sielmingen, gibt es ein ziemlich drastisches Schild. Dort wird die Anzahl der Getöteten und Verletzten notiert. Seit dieses Schild steht, hat die Zahl der Unfälle auch abgenommen. Es braucht aber ein ganzes Bündel von Maßnahmen, darunter auch Geschwindigkeitskontrollen.

Manche schlagen auch eine Leitplanke in der Mitte der Straße vor.

Ja, das kann helfen. Es kommt immer auf die konkreten Verhältnisse an. Unsere Forschungen zeigen auch, dass die Autofahrer intuitiv ihre Geschwindigkeit an die Umgebung anpassen. Wenn also alles frei, die Straße gerade und links und rechts nur Feld ist, übertreiben es manche automatisch mit der Geschwindigkeit. Da lässt sich mit kleinen baulichen Maßnahmen bereits viel beeinflussen.