Der große polnische Dichter wirbt vor Eislinger Schülern für seine Zunft. Und begründet, warum er sich gegen Hip Hop entschieden hat.
Eislingen - Was hat ein 69-jähriger Dichter aus Polen jungen Schülern aus Eislingen zu sagen? Und kommen seine Botschaften überhaupt an? Adam Zagajewski, der bekannteste Poet seines Landes und ehemalige Dissident, hat den Abiturienten am Erich-Kästnergymnasium eine Vorlesung in Altersweisheit und poetischer Schreibkunst geschenkt. Nach anfänglicher Skepsis wagten sich die Schüler aus der Deckung und suchten das Gespräch mit dem diesjährigen Preisträger des Eichendorff-Literaturpreises, den die Lyrikerin Tina Stroheker dank ihrer freundschaftlichen Kontakte nach Eislingen hatte lotsen können.
Der Gast verblüfft mit seinem fast akzentfreien Deutsch
Ein Patentrezept, wie man die junge Generation für Poesie und Literatur begeistern kann, hatte auch der polnische Gast nicht in der Tasche. Bei seiner eigenen Tochter habe er erkannt, dass es immer auch eine Disposition, also ein eigenes Interesse, geben müsse, erklärte Zagajewski und warb gleichzeitig fürs Lesen. Schon als Kind habe ihn die Literatur in fantastische Welten getragen, bekannte der Verehrer von Thomas Mann, der russischen Literatur sowie der Dichter Gottfried Benn und Rainer Maria Rilke in einem fast akzentfreien Deutsch.
Der 69-Jährige berichtet vom Dichterhandwerk
Die zahlreichen Fragen zum handwerklichen Vorgang des Dichtens beantwortete der 69-Jährige ausführlich und sehr bescheiden. „Das Schreiben ist immer eine Explosion der Freude“, bekannte Zagajewski, dem häufig Zeilen beim Bahnfahren einfallen. Solche Ideen würden dann in sein Notizbuch kommen und später bei einer guten Tasse schwarzem Tee handwerklich weiterverarbeitet, erklärte er den rund 60 jugendlichen Zuhörern und ergänzte: „Bahnfahren ist ein fantastischer Moment der Freiheit, man ist nirgendwo“.
Zagajewski stellt sich gegen die Massenkultur
Angesprochen auf seine kritische Haltung zu modernen Phänomenen wie dem Hip Hop, wie sie Zagajewski offenbar in einem seiner Essays geäußert hat, sprach der Dichter von einer strategischen Entscheidung. Da Kunstrichtungen wie Hip Hop oder Popmusik ein Phänomen der Massenkultur seien, habe er sich dafür entschieden, die schwächere Seite zu unterstützen. Auf musikalischer Seite handle es sich um die klassische Musik, die er von der mächtigen Massenkultur bedroht sehe.
Nach Paris, der Liebe wegen
Von seinen persönlichen musikalischen Vorlieben, seiner Auseinandersetzung mit der Philosophie, der Kunst und seiner eigenen Lebenszeit, berichtet Zagajewski in dem Gedicht „Selbstbildnis“, das er in Eislingen vorlas. Verblüffen konnte der polnische Gast seine Zuhörer mit dem Bekenntnis, er nehme seine Werke außer bei Lesungen nie in die Hand – „es gibt so viele andere interessante Autoren“ – und könne kein einziges seiner Gedichte auswendig. Seine Entscheidung für Paris, wo er 20 Jahre lang lebte, bezeichnete Zagajewski nicht als Weg ins Exil. Vielmehr sei er damit der Liebe zu seiner Frau gefolgt.