Rolf Seelmann-Eggebert ist der Grandseigneur der Adels-Berichterstattung. Ohne den Fernsehjournalisten wird bei „Königs“ nicht geheiratet – das war schon vor 30 Jahren so. Er weiß, wie man sich den Blaublütigen nähert.

Hamburg - Rolf Seelmann-Eggebert kommentiert seit mehr als 30 Jahren alle wichtigen royalen Ereignisse in den europäischen Königshäusern. Der Mensch und nicht der Skandal, profundes Wissen und nicht die Spekulation: diese Prinzipien sind ihm wichtig. Angefangen hat alles in den achtziger Jahren als plötzlich auch bis dato rein politisch orientierte Redaktionen Gefallen an Geschichten über den Thronfolger Prinz Charles und seine Märchenprinzessin Diana gefunden hatten. Als Korrespondent in London blieb Seelmann-Eggebert nichts anderes übrig als darüber zu berichten. So wurde schließlich auch sein Interesse an royalen Themen geweckt.

 
Herr Seelmann-Eggebert, wie begrüßt man eigentlich die Queen richtig?
Man begrüßt sie nicht selbst, sondern man wird von ihr begrüßt. Man richtet nicht das Wort an sie, sondern sie richtet es an einen. Die korrekte Anrede lautet beim ersten Mal „Your Majesty“ , bei jeder weiteren Ansprache sagt man „Ma’am“ . Hofknickse sind gerne gesehen, vor allem beim Hofpersonal, die Queen selbst wird niemanden besser oder schlechter behandeln, egal wie tief man in die Knie gegangen ist.
Sie sind von der Queen zwar schon zig Mal begrüßt worden, ein Interview haben Sie aber noch nie mit ihr geführt. Warum nicht?
Soweit ich weiß, befolgt sie einen Rat ihrer Mutter, die wohl mit einem Interview nicht so viel Glück gehabt hatte und ihrer Tochter riet, das lieber grundsätzlich zu lassen.
Dafür haben Sie Prinz Charles Anfang der achtziger Jahre persönlich gesprochen. Wie kamen Sie an ihn heran?
Der Prinz of Wales war ein schwieriger Fall. Ich habe alles Mögliche versucht, aber er war nicht zu überzeugen. Zum Schluss bat ich eine seiner Tanten in Deutschland um Hilfe. Mit Erfolg. Ein Anruf von ihr bei Charles genügte und ich bekam einen Gesprächstermin. Offenbar hatte ich bei der Tante einen guten Ruf.
Wie haben Sie das Gespräch in Erinnerung?
Ich traf Prinz Charles im Kensington-Palast. Im Vorfeld hatte ich drei Fragenkataloge eingereicht. Ich habe ihn als streitbaren Prinzen kennengelernt, der sich rein inhaltlich äußerte. Sein Hauptinteresse lag schon damals auf den Umweltfragen.
Der Prinz von Wales gilt als humorvoller Zeitgenosse. Haben Sie das auch so empfunden?
Ja, sicher. Ich war während des Gesprächs ziemlich ins Schwitzen gekommen, nicht so sehr wegen der Aufregung, sondern wegen meiner viel zu warmen Kleidung. Er riet mir, beim nächsten Mal etwas Leichteres anzuziehen und nicht den wärmsten Stoff, den Großbritannien zu bieten hat, nämlich Tweed.
Aber wirklich nah heran an den Menschen kommt man bei einem solchen Gespräch nicht, oder?
Das ist Auslegungssache. Persönliche Fragen sind natürlich von vorneherein ausgeklammert. Das Interview wird sonst sofort beendet. Aber nah heran gekommen bin ich trotzdem, ich habe mit allen wichtigen Royals Interviews machen können. Ich denke sogar, dass sich das Gegenüber bei einer inhaltlichen Ausrichtung des Gesprächs eher öffnet, als wenn man von vorneherein mit persönlichen Fragen kommt. Ich habe auch nie ein Thema aufgegriffen, bevor es nicht endgültig ausdiskutiert war.
Sie üben sich in Distanz und Diskretion. Das passt gut zu den adligen Kreisen.
Ich gebe mir Mühe, die Königshäuser in einen bestimmten historischen Kontext zu setzen, Verbindungen zu anderen Ereignissen oder Ländern herzustellen oder den Werdegang der Persönlichkeiten genauer darzustellen. Die Art und Weise, wie Boulevardmedien über die Royals berichten, liegt mir nicht. Über die Trennung von Charles und Diana beispielsweise wurde lange gemunkelt, für mich war es erst Gegenstand der Berichterstattung, als im Unterhaus mitgeteilt wurde, dass sie sich getrennt hatten.
Sie waren ein Junge als Elizabeth II Königin wurde. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Ich weiß noch, wie mich meine Mutter zum Krönungsfilm ins Kino mitgenommen hat. Meine drei älteren Brüder haben sich offenbar geweigert. Mich hat es auch nicht besonders interessiert, mir schien das damals alles sehr mittelalterlich und weit von meiner Welt entfernt. Das Interesse kam erst sehr viel später während meiner Zeit als Korrespondent in London.
Sie haben einmal scherzhaft über sich gesagt, Sie seien von Beruf Pausenfüller. Wie meinten Sie das?
Bei der Übertragung von royalen Ereignissen gibt es Phasen, die man überbrücken muss. Beispielweise wenn die Queen von einer Hochzeit in der St.-Pauls- Kathedrale mit der Kutsche zurück zum Palast fährt, das dauert circa 25 Minuten, in denen rein gar nichts passiert. Man muss etwas erzählen, das über das hinaus geht, was man unmittelbar kommentieren kann, wie ihre Garderobe und wer vor ihr oder hinter ihr fährt. Da komme ich dann zum Beispiel auf ihre eigene Hochzeit zu sprechen, stelle eine Verbindung zum deutschen Adel her oder streue ein paar Anekdoten ein.
Muss man aufpassen, dass man nicht zu viel erzählt?
Manches spielt sich akustisch und visuell so ab, dass man mit Worten nur stören würde. Bei der Beisetzung von Prinzessin Diana hatten wir uns im Hamburger Studio mit fünf Kommentatoren im Studio zusammengetan. Jeder sagte zu allen möglichen Dingen etwas. Nach fünf Minuten kam der Regisseur herein und meinte, wir sollten nicht so viel reden, die Leute würden zu Hunderten anrufen. Sie wollten nicht abgelenkt werden von der Andacht des Augenblicks. Das habe ich mir für den Rest meines Berufslebens zu Herzen genommen.
Welche Bilder und Geräusche haben Sie von der Beisetzung Lady Dianas in Erinnerung?
Man hörte den einsamen Schlag der Westminster Abbey, leises Dudelsack-Spiel, klappernde Hufe, das Geräusch des Katafalks, auf dem der Sarg durch die Straßen gezogen wurde, Schluchzen. Das war natürlich eine Atmosphäre, die sehr viel überzeugender war als alle Kommentare, die wir dazu abgeben konnten.
Sie haben schon so manchen König mit gekrönt und waren Trauzeuge bei etlichen royalen Hochzeiten. Haben die Königshäuser den Sprung in die Moderne geschafft?
Schauen Sie sich nur die jeweiligen Ehepartner an. Mit Ausnahme des belgischen Königshauses haben alle bürgerlich geheiratet. Das ist schon mal ein Indiz dafür, wie modern alles geworden ist. Früher gingen die royalen Sprösslinge auch nicht in normale Kindergärten oder Schulen, sie bekamen Privatunterricht. Es gab eine vollkommene Trennung zwischen Volk und Königshaus.
Inwiefern mischt sich der junge Adel unters Volk?
Da wächst eine junge Elite heran, die weit gereist und gebildet ist. Sie machen Praktika in Wirtschaftsunternehmen, bei der Regierung oder bei der EU in Brüssel. Sie wollen den Kriterien der Leistungsgesellschaft entsprechen und sich nicht abschotten. Das ist wichtig, denn wenn sich innerhalb einer Parlamentssitzung eine Mehrheit gegen die Monarchie entwickeln würde, kann sie von heute auf morgen Geschichte sein.

Rolf Seelmann-Eggebert wurde am 5. Februar 1937 in Berlin geboren. Sein Patenonkel war der Erbprinz des Hauses Sachsen-Altenburg, Georg Moritz von Sachsen-Altenburg. Nach dem Studium kam er zum Norddeutschen Rundfunk, dem er Zeit seines Lebens beruflich verbunden blieb. 1978 wurde er ARD-Korrespondent in London. Dort trat Seelmann-Eggebert im gleichen Jahr erstmals als Adelsexperte auf, als er über den 30. Geburtstag von Prinz Charles berichtete. 1992 verlieh ihm die Queen den Orden Commander of the British Empire CBE.