In Griechenland floriert der Adoptionshandel mit Roma-Babys aus Bulgarien. Die Frauen gebären im Nachbarland, wo sie über kriminelle Vermittler ihre Neugeborenen verkaufen. Das deckt ein schockierender Bericht auf.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Sofia - Eine schockierende Reportage hat erneut ein Schlaglicht auf den traurigen Handel mit Roma-Babys aus Bulgarien in Griechenland geworfen. Die Armut der Mütter, die schwierige Beweislage und die geringen Strafen für Babyhändler erschweren die Ermittlungen.

 

Für den Erwerb eines kleinen Hauses hatte die Bulgarin Stanka ihr neugeborenes Kind einst in Griechenland für 3500 Euro verkauft. Aber die dreifache Mutter in dem Roma-Dorf Ekzarh Antimovo nahe der Hafenstadt Burgas kann nicht aufhören, an ihren verlorenen Sohn zu denken. „Ich bereue das, aber ich war jung und dumm“, berichtet die Roma-Frau in einem nun erschienenen Report der Balkan-Nachrichtenagentur Birn. Mit ihrer Mutter und dem Rest der Familie habe sie zu zehnt in einem Raum ohne Fenster, ohne Elektrizität und Wasser gelebt: „Ich hatte keine Hoffnung – und sah keinerlei anderen Weg, um an etwas Geld zu kommen, um meine beiden anderen Kinder zu ernähren.“

Die Täter erwarten nur geringe Strafen

Akribisch haben die Birn-Reporter in Bulgarien und Griechenland die Hintergründe des Adoptionsgeschäfts mit Roma-Kindern recherchiert. Ihr schockierendes Fazit: die Armut der Mütter, die fehlenden   Kontrollen an den Grenzen, die schwierige Beweislage und die relativ geringen Strafen für gefasste Täter erschweren es der Justiz, den Babyhändlerringen das Handwerk zu legen.

Auf mehrere Hundert Frauen pro Jahr wird die Zahl der Bulgarinnen geschätzt, die mit Hilfe von Vermittlern zur Geburt ihrer hernach sofort zur Adoption frei gegebenen Neugeborenen nach Griechenland reisen. Die Mütter sollen zwischen 500 bis 5000 Euro für ihr Kind erhalten, für das die Adoptiveltern zwischen 3000 und 40 000 Euro zu berappen haben: Jungen seien deutlich teurer als Mädchen, die Preise seien wegen der griechischen Krise aber etwas am Fallen. Den Großteil der bezahlten Gelder sacken die Babyhändler ein. Erleichtert werden ihre Geschäfte durch das griechische Adoptionsrecht, das direkte Privatadoptionen erlaubt, deren finanzielle Honorierung allerdings verbietet.

Meist sind es jüngere Roma-Frauen

Meist sind es laut den Erkenntnissen der Nachrichtenagentur jüngere Frauen aus Roma-Siedlungen der Hafenstädte Burgas und Varna oder aus kleineren ostbulgarischen Städten, die sich oft bei ungewollten Schwangerschaften zum regelrechten Verkauf ihrer Neugeborenen in Griechenland entscheiden. Als angebliche Saisonarbeiterinnen würden ihre Vermittler sie kurz vor der Niederkunft in ausgesuchte griechische Geburtskliniken bringen: So wurden in die Klinik in der 400 Kilometer von der Grenze entfernten Provinzstadt Lamia bis zur Aushebung eines Babyhändlerrings jahrelang eine auffällig hohe Zahl bulgarischer Schwangerer eingeliefert.

Nach Angaben der bulgarischen Polizei gehen die Anfänge des Babyhandels auf die neunziger Jahre zurück, als sich nach dem Zusammenbruch des Sozialismus die Grenzen plötzlich öffneten. Eine starke Zunahme des Adoptionsgeschäfts sei seit Bulgariens EU-Beitritt im Jahre 2007 zu verzeichnen. Die laxeren Kontrollen hätten den Händlerringen ihr grenzüberschreitendes Geschäft merklich erleichtert. Ohne kooperationswillige Ärzte, Anwälte und Justizbeamte in Griechenland wäre der Babyhandel kaum möglich, sagen die Reporter von Birn. Denn Schweigen alle Beteiligten und liegt die Unterschrift der Mutter zu einer Adoptionsfreigabe vor, ist den Vermittlern eine Schuld kaum nachzuweisen.

Die Behörden sagen nichts: es gilt der Datenschutz

Die griechischen Adoptionsbehörden verweigern zudem mit Hinweis auf den Datenschutz den Ermittlern fast jegliche Auskunft. Belastende Aussagen gegen die Hintermänner erhalten diese fast nur, wenn sich betrogen fühlende Mütter direkt an die Polizei wenden. Zwar wurden nicht nur in Griechenland, sondern auch in Italien bereits bulgarische Babyhändlerringe ausgehoben, doch die geringfügigen Haft- oder Geldstrafen haben auf die Täter kaum eine abschreckende Wirkung. Es sei praktisch „unmöglich“ geworden, die Ausbreitung des Verbrechens zu verhindern, zitiert die Agentur einen frustrierten Ermittler.