Die moderne Bürokommunikation ermöglicht Dinge, auf die man nicht im Traum gekommen wäre. Unsere Kolumnistin ist mit ihrem Telefon in jedem Fall hoffnungslos überfordert.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - So eine dusslige Person, dachte ich, als ich kürzlich in einem Laden an der Kasse stand. Die Kassiererin tippte wahllos auf den Tasten rum. Sie sagte „oh“ und „ups“, „ach je“ und „nein, so auch nicht“. Ich musste diesem Elend mehr als zehn Minuten zuschauen. Erst dann konnte ich meine 2,99 Euro loswerden.

 

Kompetenz am Arbeitsplatz ist eben eine schöne Sache. Know-how wirkt wahre Wunder. Grundkenntnisse im Umgang mit moderner Technik schaden nicht. Dachte ich bisher zumindest.

Jetzt haben wir in der Redaktion eine neue Telefonanlage. Ich habe mir erst einmal die 233-seitige Anleitung vorgenommen und mich informiert über Warmline, Rollover für Leitungen und Mobility-Szenarien. Über den Unterschied zwischen Rufjournal und Rufliste, über Kontextmenü, Multiline und Phantomleitung. Als dann aber eine Dame anrief und in die Kantine verbunden werden wollte, hörte ich mich plötzlich diesen erschütternden Satz sagen: „Keine Ahnung, wie das Telefon funktioniert, rufen Sie doch noch mal bei der Zentrale an.“

Nicht spotten, wenn man aus der Leitung geworfen wird

Hiermit gelobe ich, mich nie wieder über andere Menschen lustig zu machen, die ihr Bluetooth-Headset nicht aktivieren können. Die einen aus der Leitung werfen. Oder die sich wie eine Bekannte eine neue Rufnummer zulegen, nur weil das Telefon nach 15 Minuten immer so fies rauschte, dass man fast einen Hörschaden bekam.

„Zum Aufrufen der Funktionen ,Besetzt’ (,make line busy’) und ,Ende der Sammelanschluss-Kette’ (,stop hunt’) kann eine freiprogrammierbare Sensortaste als Funktionswechseltaste (Feature toggle) definiert und programmiert werden.“

Übrigens kann ich jetzt auch bei ungesicherten Sprachverbindungen Parken und Entparken. Auch bei nicht verzögertem Rufton ist aktives und stilles Hören möglich. Und natürlich Direktansprechen und Gegensprechen. Ich vermute sogar, dass man mit dem neuen Telefonapparat Textaufgaben lösen kann: Eine Mitarbeiterin arbeitet täglich drei Seiten einer 233-seitigen Betriebsanleitung durch. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch vor Eintritt ins Rentenalter ihr Telefon bedienen kann?

Ob er denn schon telefonieren könne, habe ich einen Kollegen gefragt. Er hat alles voll im Griff. Inzwischen weiß ich aber auch warum. Er bekommt überhaupt keine Anrufe. Sie werden nämlich alle automatisch weitergeleitet. An mich.