Der menschliche Körper verplempert viel Kraft, um seine innere Anspannung loszuwerden. Unsere Kolumnistin Adrienne Braun hat eine geniale Idee: Man kann ihn zur Stromgewinnung nutzen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Dieser Tage habe ich eine interessante Entdeckung gemacht. Es war während einer Konferenz. Mir fiel der Kugelschreiber herunter. Als ich auf allen vieren auf dem Boden herumkroch, stellte ich erstaunt fest: unterm Tisch wird gewippt und gewackelt, gescharrt und gestampft, gezittert, gezappelt und gezuckt. Mit den Füßen trapp, trapp, trapp, mit den Fingern tipp und tapp. Einmal hin, einmal her, unterm Tisch ist schwer Verkehr.

 

Man kann sich immer nur wundern über uns Menschen. Ob sie zum Bus rennen oder beim Finanzamt anrufen müssen – schon schießt das Adrenalin. Als ginge es um Leben und Tod. Dabei ist das ganz und gar kontraproduktiv. Statt die geballte Energie in die anstehende Aufgabe zu stecken, verpulvert der Körper sie in unsinnigen Aktionen. Muskeln zucken, Lider flattern und Finger trommeln. Die Beine kribbeln, der Kiefer mahlt. Nur, weil man mit dem Chef im Aufzug fährt.

Eine Freundin hat mir erklärt, warum das so ist: „Wir haben es hier mit einer Stauung zu tun“, behauptet sie. Früher, sagt sie, rannte der Mensch in Stresssituationen weg oder schlug zu. Heute muss er dagegen Konferenzen absitzen und darf den Kollegen auch keins mit der Keule überziehen. Also malträtiert man eben sein Ohrläppchen. Man zwirbelt die Haare, reibt die Nase, knabbert an den Nägeln oder nagt am Stift.

Der Körper kann in thermisches Ungleichgewicht geraten

Übrigens verbraucht Beinwackeln unterm Tisch pro Stunde 32 Kalorien. Deshalb werden in Konferenzen auch so gern Kekse gegessen.

„Alles nur Physik“, sagt die Freundin. Durch die innere Erregung gerät der Körper in ein thermisches Ungleichgewicht – und wenn man nicht wenigstens mit den Zehen wackelt, beißt man sich spätestens nachts die Zähne runter.

Angeblich werden an einem Tag beim Kauen Kräfte von zwanzig bis dreißig Newton verbraucht, während es beim nächtlichen Knirschen 950 Newton sind. Statt sich das Gebiss zu ruinieren, könnte man schön eine Art Dynamo anschließen – und hätte bis zum Morgen bereits den Strom für die Kaffeemaschine erzeugt.

Das muss man sich mal vorstellen: Unterm Konferenztisch würde das Licht fürs Büro erzeugt und mit der Hitze in der Menopause ließen sich Autos antreiben. Und wenn die Freundin mal wieder thermisch unausgeglichen wäre, könnte ich sie guten Gewissens ermuntern: „Immer schön heiße Luft ablassen. Da brauche ich schon nicht mehr heizen.“