Wer am längeren Hebel sitzt, muss sich nicht um Recht und Ordnung scheren, sondern kann bei seinen Mitmenschen – oder unserer Kolumnistin – abkassieren.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Dieser Tage habe ich ein freundliches Schreiben erhalten. Das Amt für öffentliche Ordnung bittet um finanzielle Zuwendung. Ich hätte die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften überschritten und solle 15 Euro zahlen. Aber natürlich nur, „wenn Sie damit einverstanden sind“.

 

Ich bin aber nicht einverstanden. Laut § 41 Abs,. 1 iVm Anlage 2, § 49 StVO bin ich unschuldig. In der Straße steht weit und breit kein Schild, dass es sich um eine Zone 30 handelt. Das habe ich den Herrschaften der Bußgeldstelle umgehend geschrieben – und sogar ein Beweisfoto beigelegt.

Weitere Ermittlungen sind nicht vorgesehen

Aus dem Hebelgesetz nach Archimedes: mit Hilfe eines in einem Drehpunkt verankerten Hebels lässt sich eine schwere Last mit geringer Kraft heben. Aus der Formel M = r x F folgt: Wer am kurzen Hebel sitzt, muss eine erhöhte Last von F = 15 Euro aufbringen. Je länger dagegen die Strecke „r“ des Hebels ausfällt, desto geringer die Beweislast. Deshalb schickte der Herr vom Amt auch nur einen knappen Gruß: „Das entsprechende Verkehrszeichen befand sich 200 Meter vor der Meßstelle, dies wurde vom Anzeigenerstatter überprüft.“ Punkt. Ende der Diskussion. „Weitere Ermittlungen sind innerhalb des kostenfreien Verwarnungsverfahrens nicht vorgesehen.“

„Schreib doch an das Ideen- und Beschwerdemanagement“, hat eine Freundin geraten. Mit der Gelben Karte kann man „einen Defekt oder Missstand“ bei der Stadt melden. Sie hat sich per Gelber Karte mal beschwert, dass sie ständig Strafzettel bekommt – trotz Anwohnerparkausweises. Nach regem Briefverkehr erhielt sie ein „erneutes Verwarnungsangebot“.

Kurzhebellast F = 30 Euro.

„. . . können Sie eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen“.

Obwohl eine Kollegin vor Monaten umgezogen ist, hat sie ihre Kaution bis heute nicht zurückbekommen. Der Besitzer hat mit dem Geld die altmodischen Toilettenspülungen erneuert – und ihr in Rechnung gestellt. Die seien kaputt gewesen.

„. . . ist es Ihnen unbenommen, auf eigene Kosten gerichtlich vorzugehen“.

Gegen die Physik kann man eben nichts ausrichten. Einmal hat eine Freundin aber alle Hebel in Bewegung gesetzt und konnte mit teuren Anwaltsschreiben tatsächlich ein Amt überzeugen, dass es einen Fehler gemacht hatte. Natürlich kam keine Entschuldigung. Schon gar keine Entschädigung. Nur ein nüchternes Schreiben: „. . . ist der vorherige Bescheid hiermit hinfällig“.