Es ist höchste Zeit, für diese Kolumne neue Leitlinien zu entwickeln und mit überkommenen Ritualen aufzuräumen – meint unsere Kolumnistin Adrienne Braun.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Ein aufmerksamer Leser hat einen interessanten Brief geschickt. Nach „überschlägig geschätzten mehr als 500 Beiträgen“ an dieser Stelle sei jetzt zum ersten Mal in rund zehn Jahren keine Freundin zitiert worden. Nicht eine „Frauensperson aus dem persönlichen Umfeld“, schreibt er, keine meiner „Damen“. Nichts.

 

Damit berührt der Mann ein gesellschaftlich höchst relevantes Thema. Stichwort: Along-the-job-Design. Qualitätsmanagement. Selbstevaluation. Die meisten Leserinnen und Leser stellen sich ja immer vor, dass sich eine Kolumnisten an den Schreibtisch setzt und munter den Blödsinn in den Computer tippt, den ihre Freundinnen mal wieder verzapft haben.

Das ist mitnichten so!

Selbstverständlich werden auch Kolumnen regelmäßigen Qualitätskontrollen unterzogen. Das Humankapital der Redaktion wird laufend optimiert. Es wird neue Methodenkompetenz generiert. Will eine Marke – etwa eine Kolumne – am Markt bestehen, muss sie permanent reorganisiert und institutionell neu positioniert werden. Vision – Mission – Strategie!

Nach dem laufbahnbegleitenden Coaching wird alles besser

Die gute Nachricht ist: Die Qualität steigert sich ins Unermessliche. Das garantieren die neuen Leitlinien, die ich jetzt in einem laufbahnbegleitenden Coaching entwickelt und in eine anschauliche Grafik umgesetzt habe: Input/Content => Text => User/Leser => Kommunikation.

Die schlechte Nachricht ist: das Innovationsmanagement hat ergeben, dass die Freundinnen längst ersetzt gehören. Sie haben bei der Analyse des spezifischen Veränderungspotenzials nämlich schlecht abgeschnitten. Es gibt ja feste Kategorien für Leistungsverhalten von arbeitenden Menschen: workhorse, dead wood und wild cat. Im Deutschen spricht man von solider Arbeiter, Mitläufer und Typ Fragezeichen. Die Freundinnen sind aber einfach nur komisch. Sie passen in keine Kategorie. Deshalb lassen sie sich auch nicht optimieren.

Mich sieht besagter Leser dagegen in der vierten Leistungskategorie: als Star. Der gute Mann hält mich für „eine Person des öffentlichen Lebens“. Nur so sei zu erklären, dass ich so enorm viele Freundinnen habe. Er hat mitgezählt: Bei den mehr als 500 Kolumnen seien mehr als 500 „unterschiedliche Frauenspersonen“ zusammengekommen.

Tja, so ist das eben als Star. An jedem Finger fünfzig Freundinnen! (Aber ohne die nicht mal in der Lage, einen lausigen Text würdevoll zu beenden.)