General Abdel Fattah al-Sissi, Verteidigungsminister und Oberbefehlshaber der Armee, sieht die Grundlagen des Staates gefährdet. Der 58-Jährige gilt als strategischer Kopf und Mann der klaren Worte.

Kairo - Im ägyptischen Politdrama spielt er die Schlüsselrolle. General Abdel Fattah al-Sissi, Verteidigungsminister und Oberbefehlshaber der Armee, gilt als strategischer Kopf, scharfer Intellektueller und Mann der klaren Worte. Vor einer Woche drohte er, die Armee werde eingreifen, um die Nation vor „dem dunklen Tunnel innerer Kämpfe“ zu bewahren. Die Zerstrittenheit des Landes habe ein Ausmaß erreicht, das die Grundlagen des gesamten Staates gefährde. Am Montag, einen Tag nach den beispiellosen Massenprotesten, stellte er Präsident Mohammed Mursi und seinen Kontrahenten aus dem liberalen Lager ein 48-Stunden-Ultimatum, die Forderungen des Volkes zu erfüllen und „den historischen Umständen gerecht zu werden“. Andernfalls werde das Militär einen eigenen „Fahrplan für die Zukunft“ vorlegen und durchsetzen.

 

Nach der aufgebrachten und streckenweise wirren Rede Mursis in der Nacht zu Mittwoch, er werde nicht zurücktreten und eher sein Blut für die Heimat opfern, sind in Kairo die Würfel gefallen. „Wir schwören bei Gott, auch wir werden unser Blut opfern für Ägypten und sein Volk, um es gegen Terroristen, Radikale und Narren zu verteidigen“, antwortete Sissi auf der Facebook-Seite der Armee.

Sissi ist einer der jüngsten Verteidigungsminister Ägyptens

Im August letzten Jahres von dem damals gerade frisch gewählten Mursi zum neuen Oberbefehlshaber ernannt, wurde Sissi einer der jüngsten Verteidigungsminister in der modernen Geschichte Ägyptens. Am 19. November 1954 in Kairo geboren, absolvierte der Armeechef zunächst eine Ausbildung an der Militärakademie. An den Kriegen Ägyptens gegen Israel 1967 und 1973 war er nicht als Soldat beteiligt. Sissi kommandierte Einheiten der Infanterie, stieg 2008 auf zum Kommandeur des Armeebereichs Nord mit Sitz in Alexandria.

Nach dem Sturz von Hosni Mubarak im Februar 2011 wurde er Chef des militärischen Nachrichtendienstes und gleichzeitig jüngstes Mitglied im herrschenden Obersten Militärrat. Im März 2011 erlangte er zweifelhafte Bekanntheit, als er öffentlich die sexuellen Übergriffe von Soldaten auf Demonstrantinnen in Form sogenannter Jungfrauentests rechtfertigte. Nach einem Sturm der Entrüstung ruderte Sissi zurück und sagte zu, die Armee werde derartige Übergriffe künftig nicht mehr dulden.

Der General verbrachte einige Zeit in den USA

Sissi gilt als praktizierender Gläubiger, frommer Muslim und glühender Verehrer des arabisch-nationalistischen Präsidenten Gamal Abdul Nasser. Als junger Offizier verbrachte der 58-Jährige einige Jahre als Militärattaché in Saudi-Arabien. Seine Verbindungen nach Washington sind ausgezeichnet, sowohl zur Führung der US-Armee als auch zum Pentagon, das Ägyptens Streitkräfte jährlich mit 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe unterstützt. Das Training für die höhere Offizierslaufbahn absolvierte Sissi 2006 am US Army War College in Pennsylvania. Sein damaliger Ausbilder Steve Gerras hat ihn als warmherzig und introvertiert in Erinnerung. Sissi sei sehr wichtig gewesen, möglichst viel von der amerikanischen Kultur zu lernen, gleichzeitig den Amerikanern von der arabischen Kultur etwas mitzugeben. „Sissi war aber überzeugt, dass Ägypten demokratischer werden wird – und dass die USA dabei eine wichtiger Verbündeter sein könnten.“