Ägyptens Hoffnungsträger heißt Mo Salah: Der Torjäger soll zum WM-Auftakt gegen Uruguay wieder fit sein und genießt im islamischen Raum längst Kultstatus, weil er sich für soziale Projekte einsetzt.

Moskau - Bevor so eine Weltmeisterschaft richtig Fahrt aufnimmt, entsteht mitunter der Eindruck, als sei der Wettkampf auf dem Rasen allenfalls eine kleine Nebensächlichkeit innerhalb einer gigantischen Maschinerie der Themenproduktion. Ein nicht enden wollender Strom politischer, moralischer, wirtschaftlicher, wichtiger, belangloser, schriller und deprimierender Geschichten überwölbt so ein Weltturnier, selbst leidenschaftlichen Fans fällt es da mitunter schwer, nicht zu vergessen, wie schön dieser Sport sogar bei einer WM sein kann.

 

All diese Menschen können nach der Botschaft, die Hector Cuper am Donnerstag in die Welt setzte aufatmen. Mohamed Salah mache „in der Tat einen sehr guten Eindruck“, sagte der Trainer der ägyptischen Nationalmannschaft, die am Freitag (17 Uhr) gegen Uruguay in das Turnier startet. „Er hat sich sehr gut erholt, ich kann zu fast hundert Prozent versichern, dass er spielen wird.“

Das war ja nach dem Foul von Sergio Ramos am Star des FC Liverpool im Champions-League-Finale höchst fraglich gewesen. Nun wird neben den ewigen Superhelden Lionel Messi, Cristiano Ronaldo und Neymar auch der wohl aufregendste Fußballer der vergangenen zwölf Monate bei diesem Turnier dabei sein. Ein Mann, der im Kontext seines Nationalteams ein vollkommen anderes Bild abgibt, als in seinem Liverpooler Alltagsumfeld.

Spenden für wohltätige Zwecke

Die größten Fußballer sind ja immer auch Kunstfiguren, inszeniert in sozialen Netzwerken, auf Werbeplakaten, mit affektierten Posen auf dem Rasen. Salahs Medienbild kann als Gegenentwurf zum Hype um Typen wie Ronaldo und Neymar betrachtet werden. Der afrikanische Fußballer des Jahres spendet beachtliche Teile seines Gehaltes für wohltätige Zwecke, für Krankenhäuser und Schulen in seiner Heimat. Angeblich bezahlt er mittellosen Paaren ihre Hochzeitsfeiern, und als ein Dieb beim Einbruch in Salahs Elternhaus erwischt wurde, setzte er sich für eine milde Bestrafung ein und half dem Kriminellen, einen Job zu finden.

Immer wieder neu erzählt wird die hübsche Anekdote von der ägyptischen Präsidentschaftswahl, bei der Salah angeblich eine Million Stimmen bekommen haben soll, ohne überhaupt zu kandidieren. Wer die ungültigen Wahlzettel ausgezählt haben soll und am Ende dann auf diese runde Summe kam, weiß natürlich niemand, aber die Geschichte ist einfach gut. Auch weil sie davon erzählt, dass große muslimische Männer entgegen gängiger Klischees auch sanft, bescheiden und zurückhaltend sein können.

Die Fans des FC Liverpool singen gerne ein Lied, in dem es heißt, sie würden mit Vergnügen zum Islam konvertieren, wenn Salah weiter so wunderbar spielt: „If he scores another few then I’ll be a Muslim too.“ Das ist natürlich nicht ganz ernst gemeint, aber in einer Zeit, in der die Vorbehalte gegenüber Muslimen in den westlichen Demokratien immer massiver werden, fällt so einem islamischen Superstar, der auch noch ein sehr religiöses Leben führt, automatisch die Rolle eines Botschafters zu.

Foto mit umstrittenem Herrscher

Wobei Salah klare Meinungsäußerungen zu heiklen Fragen umkurvt wie seine Gegenspieler. „Ich gebe dem Fußball mein ganzes Leben, ich esse gut, ich schlafe gut, ich denke nur über Fußball nach“, hat er neulich behauptet. Was der 26-Jährige beispielsweise über das Bild denkt, auf dem er sich am vorigen Wochenende an der Seite des tschetschenischen Herrschers Ramzan Kadyrow zeigte, ist unbekannt. Kadyrow tritt Menschenrechte mit Füßen, lässt Homosexuelle verfolgen und geht mit brutaler Härte gegen Oppositionelle vor. Die Ägypter residieren während der WM trotzdem als intensiv umsorgte Gäste in Tschetscheniens islamisch geprägter Hauptstadt Grozny. „Mohamed Salah hat sich für die warme Begrüßung dankbar gezeigt“, schrieb Kadyrow auf einer Regierungswebseite, und wenn der Stürmer tatsächlich einer der Stars dieses Turniers wird, wird der Glanz auch auf den umstrittenen Machthaber abfärben.

Aber MohamedSalah ist auch deshalb so phänomenal, weil er die Bedeutung seiner Taten tatsächlich ausblenden kann, wenn er mit dem Ball und seinen Jungs kickt. Als er in der Nachspielzeit des entscheidenden Qualifikationsspiels gegen Kongo zum alles entscheidenden Elfmeter antrat, hielt das ganze Land den Atem an, der TV-Kommentator weinte, doch Salah schoss mit der Attitüde eines Spielers, für den der Fußball auch in äußersten Extremsituationen eine Angelegenheit purer, kindlicher Freude bleibt.

„He kills you whith a smile“ („Er tötet dich mit einem Lächeln“), hat sein Clubtrainer Jürgen Klopp einmal gesagt, um die besondere Spielweise zu beschreiben, mit der Salah seine sagenhaften 44 Tore in 52 Pflichtspielen für Liverpool erzielte. Nun hofft ganz Ägypten, dass der Stürmer auch in Russland viel lächeln wird.