Bundesarbeitsminister Heil braucht noch mehr Geld als bisher bekannt für das Bürgergeld. Mehr Menschen als erwartet sind betroffen. Union und FDP sehen sich in ihren Warnungen bestätigt und fordern Änderungen bei der Grundsicherung.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Aus CDU/CSU und FDP kommen Forderungen, das Bürgergeld in der jetzigen Form abzuschaffen oder Mittel dafür einzusparen.

 

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der „Bild“-Zeitung vom Montag (13. November), seine Partei wolle „das Bürgergeld in dieser Form wieder abschaffen und durch ein anderes Modell ersetzen“. Ziel müsse es sein, dass arbeitsfähige Menschen auch wirklich arbeiten müssten.

„Mehr Anreize zur Jobaufnahme“

„Wir müssen die Anreize zur Jobaufnahme erhöhen“, sagte Linnemann weiter. „Jeder, der arbeiten kann und Sozialleistungen bezieht, muss nach spätestens sechs Monaten einen Job annehmen, ansonsten gemeinnützig arbeiten.“

Die Forderung, die bestehende Sozialleistung zu beenden und durch ein anderes Modell zu ersetzen, ist laut „Bild“-Zeitung auch im Entwurf für das neue CDU-Grundsatzprogramm enthalten. Dies soll demnach eines der zentralen Themen im nächsten Bundestagswahlkampf der CDU werden.

Auch von der FDP kommen Rufe nach Änderungen beim Bürgergeld. FDP-Fraktionschef Christian Dürr fordert Milliarden-Einsparungen bei den Sozialleistungen. Dies solle dadurch erreicht werden, dass nicht nur ukrainische Geflüchtete, sondern alle Asylbewerberinnen und -bewerber schneller in den Arbeitsmarkt integriert würden.

3,25 Milliarden Euro Mehrkosten

Das neue Bürgergeld verursacht deutlich höhere Ausgaben als von der Bundesregierung im Haushalt für das laufende Jahr eingeplant. So benötigt das Bundesarbeitsministerium von Ressortchef Hubertus Heil (SPD) 1,15 Milliarden Euro zusätzlich für die Leistungen für Unterkunft und Heizung. Das geht aus einem Schreiben von Finanz-Staatssekretär Florian Toncar (FDP) an den Haushaltsausschuss hervor. Diese Leistungen werden neben dem Bürgergeld-Regelsatz vom Jobcenter gezahlt.

Erst am Donnerstag (9. November) hatte Toncar den Haushaltsausschuss über eine „überplanmäßige Ausgabe“ für das Bürgergeld von 2,1 Milliarden Euro informiert. Die Gesamtausgaben sollten demnach bei 25,9 Milliarden Euro liegen. Die nun bekannt gewordenen Mehrkosten kommen hinzu.

„Deutlich eingetrübte wirtschaftliche Lage“

Für Unterkunft und Heizung sei mit Ausgaben von bis zu rund 11,6 Milliarden Euro zu rechnen, erklärte Toncar. Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums sagte am Sonntag (12. November), es habe sich mittlerweile gezeigt, „dass Mieten, Heizkosten und sonstige Nebenkosten, die den Bedarf bei diesem Titel bestimmen, stärker gestiegen sind, als wir noch vor einem Jahr erwartet haben“.

Laut Toncars Schreiben ist der Hauptgrund für die steigenden Bürgergeld-Kosten die gestiegene Zahl der Betroffenen. „Ursache ist im Wesentlichen die deutlich eingetrübte wirtschaftliche Lage“, so der Finanz-Staatssekretär. Gegenüber bisherigen Erwartungen werde von höheren Arbeitslosenzahlen im Jahr 2023 ausgegangen.

Dem Bericht zufolge benötigen die Bürgergeld-Bezieher offenbar auch mehr Leistungen. Die „Netto-Leistungen je Bedarfsgemeinschaft“ hätten sich „im Vergleich zur Erwartung vom Herbst 2022 dynamischer entwickelt“, heißt es in dem Schreiben an den Haushaltsausschuss.

Weiterer Anstieg der Mehrkosten befürchtet

Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Haase, befürchtet angesichts der Zahlen nun einen weiteren Anstieg der Bürgergeld-Ausgaben im Jahr 2024 auf mehr als 27 Milliarden Euro.

Das wäre rund fünf Milliarden oder gut 22 Prozent mehr als noch im Jahr 2022 (Hartz IV). „Die Steigerungen zeigen, dass dieses System falsche Anreize setzt. Zu viel Hängematte, zu wenig Fordern und Fördern. Diese Ausgabendynamik muss gebremst werden“, sagt Haase.

Wer bekommt Bürgergeld 2023?

Das Bürgergeld hatte zu Beginn des Jahres die bisherigen Hartz-IV-Zahlungen abgelöst. Derzeit beziehen 5,5 Millionen Bedürftige Bürgergeld, darunter 1,68 Millionen Arbeitslose. Im Januar hatte das Bürgergeld als zentrale Sozialreform der Ampel-Regierung Hartz IV in seiner früheren Form abgelöst.

Die Regelsätze waren bereits zu Jahresbeginn um rund 50 Euro gestiegen. Ab Januar 2024 wird das Bürgergeld um zwölf Prozent erhöht. So sollen Alleinstehende von Anfang 2024 an 563 Euro statt wie heute 502 Euro pro Monat bekommen. Die von der Bundesregierung beschlossene ungewöhnlich hohe Steigerung geht auf die Inflation und auf die steigenden Nettolöhne zurück.

Wie stark soll das Bürgergeld steigen?

Die Bürgergeld-Sätze sollen künftig schneller als in der Vergangenheit an die Inflation angepasst werden. Für Jugendliche vom 15. Lebensjahr bis unter 18 Jahre sollen künftig 471 statt 420 Euro fließen.

Für Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres werden 390 statt 348 Euro gezahlt. Für Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres sollen 357 statt 318 Euro fließen.

Durch die Reform wird die Höhe der Leistungen schneller als früher an die Preisentwicklung angepasst. Zuvor war die Inflation nur sehr zeitverzögert berücksichtigt worden. Nun wird das Lohn- und Inflationsniveau für die Regelsätze des Folgejahres bis zum zweiten Quartal des aktuellen Jahres berücksichtigt.

Wie hoch sind die aktuellen Regelsätze des Bürgergeldes?

Wie hoch die Regelsätze beim Bürgergeld sind, zeigt die folgende Übersicht:

  • 502 Euro: für Alleinstehende
  • 451 Euro: für eheliche oder nichteheliche Partner einer Lebensgemeinschaft
  • 420 Euro: für Kinder im Alter von 14 bis 17 Jahren
  • 348 Euro: für Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren
  • 318 Euro: für Kinder bis einschließlich 5 Jahren

Wer hat Anspruch auf Bürgergeld?

Das Bürgergeld-Gesetz sieht vor, dass der Anspruch auf Bürgergeld besteht:

  • bei Bedürftigkeit
  • bei grundsätzlicher Erwerbsfähigkeit
  • oft im Anschluss an Leistungen auf das Arbeitslosengeld I
  • Wer bisher Anspruch auf Arbeitslosengeld II hatte, wird künftig einen Anspruch auf Bürgergeld haben. Dafür müssen keine neuen Anträge gestellt werden. Infrage kommt das Bürgergeld auch für Menschen, deren Arbeitseinkommen nicht zum Lebensunterhalt reicht.