Die Fellbacher Oberbürgermeisterin Gabriele Zull und die Stadträte sind verärgert über die „lapidare Verkündung“ der Bahn, wonach der Austausch des Aufzugs zur S-Bahn etliche Monate dauert.

Fellbach - Reichlich indigniert wirkte Oberbürgermeisterin Gabriele Zull, als es im Gemeinderat um das Fellbacher Aufregerthema der Woche ging. Gemeint ist das kürzlich von der Deutschen Bahn verkündete Vorhaben, den anfälligen Aufzug am Bahnhof gegen ein neues Modell auszutauschen. Kosten: 320 000 Euro. Im Nachsatz allerdings holte die Bahnsprecherin zum Paukenschlag aus: „Die Inbetriebnahme des neuen Aufzugs ist für Ende September 2021 vorgesehen.“ Bis dahin stehe der Aufzug zu den S-Bahnen in Richtung Stuttgart nicht zur Verfügung.

 

Im Rathaus erfuhr man diese Nachricht allerdings erst durch die Berichterstattung in der Tageszeitung. Es sei unmöglich, wetterte Zull, dass diese langwierige technische Umrüstung „so lapidar verkündet“ und die Stadt ohne Absprache „vor vollendete Tatsachen gestellt“ wurde. Monatelang kein Aufzug zur S-Bahn nach Stuttgart – das sei nicht hinnehmbar.

Mit schwerem Gepäck die Treppenstufen hoch

Auch die Stadträte beteiligten sich anschließend an der kollektiven Schelte. Es sei „ein Unding“, schimpfte Ulrich Lenk (Freie Wähler/Freie Demokraten), wenn sieben Monate lang Senioren, Menschen mit Handicap oder mit schwerem Gepäck kaum zu ihren Zügen gelangen könnten – in einer Zeit, in der alle von der erwünschten „Verkehrswende“ redeten.

In der Bahnunterführung, so die nachmittägliche Erkundung, sind immer wieder Leute zu beobachten, die auf den Anforderungsknopf drücken – und erst dann den kleinen Infozettel an der Glastür des Aufzugs entdecken: „Aufgrund von Vandalismusschäden kann dieser Aufzug vorübergehend nicht benutzt werden“ – zur Verfügung stehe er wieder „ab KW 11“. Kalenderwoche elf also – die allerdings ist bereits vor fünf Tagen abgelaufen.

Was machen Rollstuhlfahrer?

Bleibt also nur, Kinderwagen oder Koffer die zahlreichen Stufen hinaufzuwuchten. Und das machen etliche Fahrgäste ganz routiniert. Ein junger Mann nimmt ohne zu zögern sein Rad auf die Schulter und sprintet die Treppen hoch. Eine Familie, deren Kleinkinder mit Rollern unterwegs sind, schleppt diese mit dem Nachwuchs an der Hand nach oben.

Laurin Gerber aus Ludwigsburg, der selbst jung und gut zu Fuß und viel mit der S-Bahn unterwegs ist, hält die Zeitspanne für die Reparatur für viel zu lang. „Was machen die Leute, die mit dem Rollstuhl unterwegs sind?“, fragt er. Währenddessen trägt eine junge Frau ihr Fahrrad auf den Bahnsteig. „Das geht gut“, sagt sie. Das sei sie gewohnt. Apropos gewohnt: Dass der Aufzug am Fellbacher Bahnhof immer wieder streikt, das kennt Gisela Borsnich. „Der Aufzug war immer wieder ein Problem in den 27 Jahren, in denen ich in Fellbach wohne“, sagt sie. Vielleicht wäre auch eine Rampe, wie es eine am Gleis eins gibt, eine Möglichkeit.

Seit 20 Jahren in Betrieb

Was also ist los mit dem Fellbacher Aufzug, der vor 20 Jahren in Betrieb genommen wurde? „Wir verzeichnen bei der Anlage in Fellbach seit letzter Woche einen Totalausfall des elektronischen Steuersystems“, erklärt ein Bahnsprecher. Ein Ersatz für das defekte Bauteil sei von der Herstellerfirma nicht mehr lieferbar. Die Bahn könne auch keinen Ersatz aus Altanlagen beschaffen. Die Anpassung der Anlage an eine neue Steuerungstechnik sei aber weder zeitlich noch wirtschaftlich vertretbar. „Dementsprechend haben wir kurzfristig entschieden, für den Tausch der Anlage die Demontage vorzuziehen.“

Immerhin korrigiert der Bahnsprecher den Zeitplan: Der bisher genannte Termin Ende September 2021 beinhalte „einen zeitlichen Puffer“. Es bestehe aber das Ziel, „eine technische Inbetriebnahme im Juni anzustreben“. Begründet wird der lange Zeitraum unter anderem mit dem erforderlichen „vollständigen Ersatz der Aufzugsanlage und der Stahlschachtgerüste“. Diese müssten jeweils vor Ort kleinteilig demontiert und montiert werden.

Für Schieberinnen reicht der Platz nicht

Erst wenn die Sicherheit der Anlage bescheinigt wurde, könne die Bahn diese wieder zur Verfügung stellen, so der Sprecher. „Wir wissen um die Bedürfnisse unserer Reisenden und haben daher selbst das größte Interesse daran, die Ausfallzeiten der Anlage so gering wie möglich zu halten. Wir optimieren mit den beauftragten Firmen die Bauabläufe, wo es nur geht. Ausfallzeiten bis zu sechs Monaten – bei sehr komplexen Anlagen auch darüber hinaus – können von uns aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.“

Zwischenzeitliche Alternativen, etwa ein höhengleicher Übergang über die Schienen, seien „aus Sicherheitsgründen nicht realistisch umzusetzen“. Und: „Eine Nachrüstung von Schieberinnen auf den Treppen ist aufgrund der großen Kundenfrequenz bei vorhandener Treppenbreite nicht möglich.“