Ein Passagier vergisst sein Portemonnaie im Flieger, merkt das aber noch auf dem Rollfeld. Das Personal lässt ihn nicht umkehren, um die Geldbörse zu holen – und das Unglück nimmt seinen Lauf.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Mit 100 von einem Kollegen geborgten Euro, die er „Taschengeld“ nennt, hat sich der Berliner Markus Hänsler (Name geändert) während seiner viertägigen Dienstreise in Stuttgart durchgeschlagen. „Ich hab sogar noch was übrig“, wundert er sich über seinen ungewohnt schwäbisch-sparsamen Lebenswandel. Der Grund: Seinen Geldbeutel sah er zuletzt am Montagmorgen im Flieger von Berlin nach Stuttgart in der Tasche an der Rückenlehne des Sitzes vor ihm stecken.

 

Am Fuße der Treppe beim Aussteigen aus der Air-Berlin-Maschine bemerkte der 50-Jährige, dass der gewohnte „Knubbel“ in der hinteren Hosentasche fehlte. Da wollte er auf dem Absatz kehrtmachen und seine vergessene Börse mit mindestens 250 Euro und sämtlichen Bankkarten sowie Ausweisen holen. Doch das Bodenpersonal habe ihn nicht zurück in den Flieger gelassen. Das sei weder erlaubt noch möglich. Die Fundsachen aus den Flugzeugen würden einmal am Tag eingesammelt werden und könnten dann zentral im Flughafen abgeholt werden. Seither wartet Markus Hänsler vergeblich. Da er nicht mehr an ehrliche Finder glaubt, hat er auch eine Anzeige bei der Polizei aufgegeben.

Das Personal ist gehalten, schnell zu helfen

„Ich wollte auch nicht unverschämt sein und alle Passagiere im Transferbus warten lassen und habe nicht insistiert“, erzählt Hänsler. Hinterher ärgert er sich darüber. Denn die Antwort des Bodenpersonals war falsch. „Es ist nicht so, dass man da nicht noch mal schnell rein darf“, sagt die Pressesprecherin Beate Schleicher vom Flughafen Stuttgart. „Wir helfen in solchen Fällen gerne, damit man die vergessenen Gegenstände so rasch wie möglich wieder bekommt – schon allein deswegen, weil uns das jede Menge Arbeit spart“, erläutert sie. Zuständig für die Koordination aller Vorgänge sei der Ramp Agent, der für die Abfertigung am Flugzeug zuständig ist. „In der Hauptreisezeit kommt das gehäuft vor. Da käme man nicht nach, das alles über das Fundbüro abzuwickeln“, sagt Schleicher.

„Mir hat man an der Gepäckausgabe das Gegenteil erzählt“, sagt Markus Hänsler. Die Dame dort habe gesagt, es gebe eine Weisung vom Flughafenchef, niemanden mehr ins Flugzeug zurückzulassen. „Es gebe sonst Ärger mit dem Zoll, erklärte sie mir – und schien sich gar nicht für mein Problem zu interessieren“, schimpft der Berliner. Er bekam dann noch den Rat, erst mal einen Kaffee trinken zu gehen. („Wie denn, ohne Geld?)“ oder mit dem Taxi ins Hotel zu fahren (gleiches Problem). Markus Hänsler wurde deutlicher und sagte, man solle endlich jemanden ins Flugzeug schicken und seine Börse holen. Da sagte man ihm, das wäre zu spät – die Maschine sei schon unterwegs nach Mallorca.

Alle Papiere, Bank- und Kreditkarten sind weg

„Die Pünktlichkeit ist natürlich das oberste Ziel“, sagt Beate Schleicher. Dennoch gelte der von ihr genannte Grundsatz, den Passagier seine Habseligkeiten holen zu lassen, für alle Flüge im Schengenraum. Wie groß der Aufwand sonst werden kann, das erlebt das Flughafenpersonal nun: Die Polizei wird auf der Suche nach der Geldbörse des Berliners den Dienstplan anfordern und das gesamte Personal befragen. Markus Hänsler ist inzwischen auf dem Heimweg – und fängt am Freitag an, alle verlorenen Papiere neu zu beantragen.