Ein Fake-Post über eine angebliche Kindesentführung in Asperg verbreitet sich rasant. Polizei und Bürgermeister warnen: Solche Falschmeldungen gefährden Sicherheit und Zusammenhalt.
Der Post, der Dienstagnachmittag in der Facebook-Gruppe „Schwarzes Brett Asperg“ auftauchte, sorgte bei den Usern zunächst für einen Schock. Eine Nutzerin behauptete, die sechsjährige Tochter einer Freundin sei entführt worden. Dazu veröffentlicht sie ein Foto eines kleinen Mädchens, eine Skizze eines mutmaßlichen Täters und einen Link mit angeblichen Zusatzinformationen.
Unter dem emotionalen Text mit Passagen wie – „Wir vermissen Mia unendlich und hoffen, dass sie bald wieder gesund und sicher nach Hause kommt“ – klicken 19 Personen auf „Teilen“ und verbreiten die Meldung weiter. So gewinnt der Beitrag schnell an Reichweite, obwohl er von Anfang an zweifelhaft wirkt.
Polizei und Facebook-Userin reagieren
Auf eine Anfrage unserer Zeitung meldet sich das Polizeipräsidium nach kurzer Zeit zurück und bestätigt: Die Meldung ist falsch. Es wurde kein Kind in Asperg oder sonst wo in der Region entführt. Auch in der Facebook-Gruppe folgt prompt eine Reaktion. Eine Userin klärt die Community nur kurze Zeit nach dem Fake-Post auf und sagt: Das ist kein Einzelfall.
Solche Falschmeldungen tauchen immer wieder in sozialen Netzwerken und Messengerdiensten auf. Sie sind gefährlich – aus gleich mehreren Gründen:
1. Asperg hat echte Kriminalität erlebt: Die Bürger Aspergs mussten in den vergangenen Jahren gleich zwei schreckliche Verbrechen verkraften. Zuerst wurde die erst 15-jährige Tabitha im April 2021 ermordet, zwei Jahre später wurde der 18-jährige Lukas in Asperg erschossen. Die Stadt hielt zusammen, auch weil sich Bürgermeister Christian Eiberger gegen Hass und Vorverurteilungen stemmte.
Nach diesen tragischen Toden ist Eiberger nun umso wütender angesichts solcher Fake-Posts: „Gezielte Desinformation und Falschmeldungen wie diese entsetzen mich. Hier wird bewusst mit Sorgen und Ängsten der Bevölkerung gespielt. Insbesondere, wenn es in der Vergangenheit tatsächlich schreckliche Taten gab.“ Das gefährde den gesellschaftlichen Zusammenhalt und wirke sich, gerade im Zusammenhang mit Kindern, negativ auf die gefühlte Sicherheit in der Gesellschaft aus, so Eiberger.
2. Gefahr falscher Verdächtigungen: „Nicht jeder kann diese emotionalen Posts richtig einordnen“, erklärt Yvonne Schächtele, Sprecherin des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. Menschen seien von solchen Meldungen oft so ergriffen, dass sie auf der Straße plötzlich glauben, Täter und Opfer identifiziert zu haben.
Die Folge: Unschuldige können fälschlich in Verbindung mit Straftaten gebracht werden. So gab es bereits Fälle, in denen Männer verdächtigt wurden, Kinder ansprechen zu wollen – in Wirklichkeit warteten sie einfach nur auf jemanden.
3. Teilen heißt, Desinformation verbreiten: Dieser Fake ist aber eine Mahnung an alle Nutzer von sozialen Plattformen und Messengerdiensten, nicht alles zu glauben und vor allem nicht alles zu verbreiten, was wir sehen. Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen und andere Medienethiker warnen schon seit längerem: Jeder Nutzer trägt eine Mitverantwortung für Informationen im Internet. Ein unbedachtes „Teilen“ macht uns selbst zum Teil des Problems.
4. Fakes sind keine Lappalie, sondern Kriminalität: Hinter Posts wie dem der Asperger Facebook-Gruppe stecken in vielen Fällen Betrugsabsichten. In dem Fall des entführten Mädchens führt der angebliche Info-Link zu einer Seite mit Werbung für dubiose Dienstleistungen.
Untersuchungen von Mimikama, einem Verein für Aufklärung über Internetmissbrauch, zeigen außerdem: Manche Links führen auf gefälschte Facebook-Login-Seiten. Wer dort seine Daten eingibt, verliert den Zugriff auf sein Profil. Die Täter ändern das Passwort, übernehmen die Kontrolle und nutzen das gekaperte Konto, um weitere Fake-Entführungen oder andere betrügerische Inhalte zu verbreiten.