Das Zugunternehmen Abellio hat in Baden-Württemberg einen desaströsen Start hingelegt. Zu Zugausfällen und Verspätungen kommt im Kreis Ludwigsburg nun ein weiteres Problem. Das soll laut Unternehmen aber bald behoben sein.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Kreis Ludwigsburg - Kopfschüttelnd steht der Mann an diesem nasskalten Wintermorgen am Bahnhof in Besigheim. Der Zug kommt, die Türen öffnen sich, die Türen schließen sich wieder, der Mann bleibt aber einfach stehen. Er traut sich nicht einzusteigen, er hat kein Ticket. Geld hätte er, aber einen Automaten, wo er es hätte loswerden können, gibt es am Bahnhof in Besigheim derzeit nicht.

 

Seitdem der Betreiber Abellio von der Deutschen Bahn Mitte Dezember weitere Strecken (Stuttgart – Heilbronn – Mannheim und Stuttgart – Osterburken) übernommen hat, die auch durch den Landkreis Ludwigsburg führen, kommt es an vielen Bahnhöfen, an denen die Regionalbahnen halten, zu ähnlichen Szenen. Einige Pendler, vor allem die, die sich nicht so gut auskennen, verzweifeln.

Der Grund: Die Deutsche Bahn hat an den Bahnhöfen, an denen nur noch Abellio-Züge halten, ihre Fahrkartenautomaten abgebaut. Das bestätigt die Bahn auf Nachfrage unserer Zeitung. Mit der Übernahme des Netzes habe Abellio den Vertrieb – also den Verkauf von Fahrkarten – übernommen, sagt ein Bahnsprecher. Die Automaten wurden demontiert und die Löcher in den Sockeln mit schweren Holzplatten abgedichtet. Offenbar kam das überraschend – zumindest für Abellio. Eigentlich wäre es am Unternehmen neue Ticketautomaten aufzustellen, passiert ist bislang noch nichts.

Fahrgäste müssen sich noch gedulden

Abellio gibt keine detaillierte Auskunft darüber, wo bereits neue Automaten aufgestellt wurden. Am Bahnhof im Ellental und in Sersheim stehen Automaten, in Wahlheim und Besigheim suchen Pendler und Fahrgäste verzweifelt nach einer Möglichkeit, eine Karte zu erwerben. Das holländische Unternehmen teilt nur mit: „In unserer zweiten Betriebsstufe (seit Dezember 2019) nehmen wir im Netz Neckartal 37 Automaten in Betrieb“. Ein Austausch der Fahrkartenautomaten sei an den Bahnhöfen in Besigheim, Kirchheim/Neckar und Walheim vorgesehen. In Ludwigsburg, Vaihingen/Enz und Bietigheim-Bissingen hat die Bahn ihre Automaten stehen lassen, denn dort halten noch Fernzüge beziehungsweise S-Bahnen.

Bei der Frage nach den nicht vorhandenen Automaten verweist Abellio auch auf die Deutsche Bahn. Die Automaten könnten „vielerorts erst aufgebaut werden, wenn die derzeitigen Automaten der DB abgebaut wurden und der Standplatz frei ist“, sagt Abellio-Sprecherin Hannelore Schuster. Obwohl das inzwischen geschehen ist, müssen sich die Kunden an einigen Bahnhöfen wahrscheinlich noch bis Ende Februar gedulden, ehe es wieder Fahrscheine zu kaufen gibt.

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Am Bahnhof in Besigheim gibt es immerhin noch einen Kiosk, die Mitarbeiter dort versuchen weiterzuhelfen. „Sie können ohne Fahrschein fahren“, wird dort geraten. Man könne ja momentan nichts anderes machen. Dem Rat folgen sollten Zugreisen aber besser nicht. Solange noch keine Automaten aufgestellt sind, können Fahrgäste laut Abellio ein Ticket bei den sogenannten „Kundenbetreuern“ im Zug kaufen. Das sei aber nur eine vorübergehende Ausnahme, so Schuster. Stehen die Automaten erst einmal, können im Zug keine Fahrscheine mehr gelöst werden.

Aushänge helfen nur bedingt

„Für den Fahrgast ergeben sich daraus keine Nachteile“, sagt Hannelor Schuster zur momentanen Situation. Diejenigen, die es nicht wissen und morgens unerwartet vor einem Betonsockel statt einem Fahrkartenautomaten stehen, dürften das ein bisschen anders sehen. Abellio hatte darauf gehofft, mit Aushängen an den betroffenen Haltestellen das Problem aus der Welt zu schaffen, funktioniert hat das nicht. Zum Teil haben sich Pendler auch schon beim Unternehmen beschwert.

Der Ärger um die Ticketautomaten passt ins Bild, der Start für Abellio in Baden-Württemberg lief stotternd. Schuld daran war aber nicht nur das Unternehmen selbst. An Pfingsten lief der Abellio-Betrieb an, Hersteller Bombardier hatte die bestellten Züge aber nicht wie geplant geliefert. Weil bis Ende November nur sechs der 25 Fahrzeuge da waren, musste Abellio auf alte Züge ausweichen, zum Beispiel auf die der DB Regio, die zuvor auf der Strecke gefahren war. Züge haben seitdem regelmäßig Verspätung oder fallen gleich ganz aus. Behoben sind die Probleme noch lange nicht. Im Gegenteil.

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Erst in der vergangenen Woche hatte sich Gerd Maisch (Freie Wähler), massiv bei Verkehrsminister Winfried Herrmann (Grüne) beschwert. Der Oberbürgermeister von Vaihingen/Enz prangerte an, dass die Situation nach wie vor katastrophal sei. Anfangs sei man noch bereit gewesen, über Probleme hinwegzusehen, sagt Maisch. Aber auch mehr als ein halbes Jahr nach der Umstellung habe er nicht das Gefühl und die Hoffnung, dass es besser werde. Das Verkehrsministerium arbeitet derzeit an einem Konzept, mit dem Kunden bei Verspätungen einfacher entschädigt werden können.